Der Spitzelkandidat

Die AfD-Führung kuscht in der Krah-Affäre vor den Rechtsaußen

Wer hatte ernsthaft etwas anderes erwartet? Der AfD-Politiker Maximilian Krah bleibt trotz der mutmaßlichen China-Spionage seines Mitarbeiters Jean G. Spitzenkandidat seiner Partei für die Europawahl. Er sei mit der Parteiführung übereingekommen, dass er beim Wahlkampfauftakt in Donaueschingen nicht dabei sein werde. Aber ich bin und bleibe Spitzenkandidat“, sagte Krah nach einem Krisengespräch mit den Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla, die sich ob der heiklen Gemengelage um Krah und die Nummer zwei auf der AfD-Europawahlliste, Petr Bystron, ganz ungewohnt im Hintergrund hielten. 

Heile AfD-Welt im Juli 2023. Foto: AfD

Sicher, auch für Krah, einem der engsten Vertrauten vom Rechtsaußen Björn Höcke, gilt die Unschuldsvermutung. Zum guten Ton gehört es aber, Verdächtige gerade in Spitzenämtern und -positionen bis zur Klärung des Sachverhalts zu suspendieren, zumal Krah gleich an mehreren Fronten unter Beschuss steht. So hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden Vorermittlungen aufgenommen wegen des Verdachts auf Abgeordneten-Bestechung. Krah soll Geld aus Moskau und Peking erhalten haben. Insofern wird Krah auch in einer zweiten Affäre um den zweiten Mann auf der EU-Wahlliste, Petr Bystron, belastet. Der Parteifreund soll mindestens 20 000 Euro von einem Kreml-Netzwerk entgegengenommen haben.

Ein Spitzenkandidat, der in einen Spionagefall verwickelt ist, und zusammen mit der Nummer 2 von der Gegenseite gekauft sein soll – dieses Szenario ist schon außergewöhnlich prekär und belastet den Europawahlkampf der AFD, es kann die Parteiführung jedoch nicht sonderlich überraschen. Wer Putin oder Xiping politisch nahesteht – was zumindest durch öffentliche Stellungnahmen, Glückwunsch- sowie Solidaritätsadressen von Krah und Bystron eindeutig belegt ist -, der vertritt zwar nicht die deutschen Interessen, liegt aber schließlich auf der von den radikalen Rechtsaußen bestimmten Parteilinie. Das wiederum provoziert in letzter Konsequenz die Frage nach einem Parteiverbot. Es kann doch nicht länger sein, dass sich eine Demokratie die Attacken, die innere Aushöhlung und am Ende sogar die Gefährdung ihrer eigenen Existenz gefallen lässt. 

Kein Respekt vor der Demokratie

Bis über ein Verbot entschieden ist, gehört die volle Aufmerksamkeit der europa- und verfassungsfeindlichen Parteiarbeit der AfD, die mit einem Spitzenkandidaten zur Europawahl antritt, der im Verdacht steht, als Büttel Putins und Xipings Politik gegen Deutschland zu betreiben und darüber hinaus einen Mitarbeiter über Jahre beschäftigt, welcher Dissidenten an China verpfeift und für Peking spioniert. Ja doch, die Parteispitze hatte nach dem Europawahlgesetz und den bereits eingereichten Listen keine rechtliche Handhabe, Maximilian Krah zurückzuziehen. Sie hätte aber auf einen freiwilligen Rückzug hinwirken und das auch öffentlich bekunden können. 

So sagt Krah eine Wahlkampfveranstaltung ab, was aus Sicht der AfD wohl als angemessen gilt. Wie erbärmlich! Und kein Vergleich zum Rücktritt Willy Brandts vor 50 Jahren: „Mein Rücktritt geschah aus Respekt vor ungeschriebenen Regeln der Demokratie und auch, um meine persönliche und politisch Integrität nicht zerstören zu lassen.“ Mit dem Respekt vor der Demokratie ist es freilich bei der AfD nicht weit her, von politischer Integrität ganz zu schweigen.  Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben: Auch in anderen Parteien haben die Fehlfarben selten das Rückgrat eines Willy Brandt oder Björn Engholm. Das waren wohl andere Zeiten … Gleichwohl ist es wohl unerheblich, ob Krah von einer Kandidatur absieht oder nicht. Die AfD bleibt eine Partei, die offen mit Feinden der westlichen liberalen Demokratie sympathisiert. Ein Rücktritt von Krah würde daran nichts ändern.

Leise Kritik aus den Reihen der AfD

Unterdessen entzündet sich in der AfD eine Debatte zur Haltung des Bundesvorstands zu Maximilian Krah. Die scheidende AfD-Europaabgeordnete Sylvia Limmer hat in der Spionageaffäre deutliche Kritik am Bundesvorstand ihrer Partei geübt und Aufarbeitung gefordert. Im Deutschlandfunk bezeichnete sie es als „verstörend“, dass die Ungereimtheiten um Krah dem Vorstand in Gänze bekannt gewesen seien. Von einer Parteiführung hätte sie erwartet, dass sie für Interviews zur Verfügung stehe, „denn es gibt so was wie eine politische Verantwortung, der man sich zu stellen hat.“ Diese Verantwortung übernehme der Bundesvorstand aktuell nicht. Das sei blamabel. 

Verkauft sich auf seiner Facebook-Seite als Friedensengel: AfD-Kandidat Petr Bystron.

Zuvor hatte der AfD-Europaabgeordnete Nicolaus Fest erklärt, dass er die Hauptverantwortung bei den Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla sehe. „Sie wurden mehrfach darauf hingewiesen, dass dies ein, ich sag’ mal, Blindgänger ist, der jederzeit hochgehen kann“, sagte er gegenüber RTL. Die beiden Parteivorsitzenden hätten sich aber über alle Warnungen hinweggesetzt.

Es gibt aber auch andere Stimmen, die einem im Kontext AfD vertrauter vorkommen. Götz Kubitschek, Vordenker der völkisch-nationalistischen Szene und Vertrauter des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke sowie Leiter des vom Verfassungsschutz beobachteten Instituts für Staatspolitik bemüht das Märchen von der verfolgten Unschuld und schreibt: : „Es geht darum, die einzige Opposition in Deutschland an der Machtbeteiligung zu hindern, ihren Erfolg zu verhindern.“

Problem ist allerdings nicht nur die europa- und verfassungsfeindliche Einstellung der AFD und ihrer Kandidaten, sondern das Verhalten ihrer Wähler. Wenn bis zu 30 Prozent der Wahlberechtigten einer Partei ihre Stimme geben wollen, die Deutschland schaden will, wo sie doch vorgibt, deutsche Interessen zu vertreten, so stellt sich die Frage, ob das System bei der politischen Bildung nicht versagt hat. Wer die angeblich patriotischen Vertreter einer Partei wählen möchte, die Deutschland den Diktatoren zum Fraß vorwerfen wollen, wird zum Werkzeug im Kampf gegen den freien Westen. Diese Menschen sind Feinde der Demokratie, des Sozialstaates, der Menschenrecht und eigentlich allem, was uns Humanismus und Aufklärung gebracht haben. Keine Entschuldigung, keine Ausrede und keine Relativierung werden mehr akzeptiert, denn jeder sollte es längst besser wissen. 

Anhänger kritisieren Kampagne

In Zeiten sich verfestigender Verschwörungstheorien auf aller Welt, sind Lernerfolge auch bei einer bestimmten Wählerklientel nur schwer zu erzielen. Die AfD-Stammwähler aus dem Sammelbecken für Nazis, Rechtsextreme, Demokratiefeinde, Reichsbürger, Landesverräter und Menschen die auf Bürgerkrieg, Umsturz, Hochverrat, Völkermord, Deportationen und politische Säuberungen zuarbeiten, werden sich auch vom schamlosen Auftreten ihrer AfD-Heroen nicht abschrecken lassen. Zum Beleg, einige Stimmen zur Krah- / Bystron-Affäre aus der „Welt“: 

„Das bunte Vaterland von Schwarz-Grün kann mir gestohlen bleiben.“

„Die AfD könnte eine Person wie Mutter Theresa als Spitzenkandidatin aufstellen. Man würde auch bei ihr behaupten, Dreck gefunden zu haben. Es ist nur zu plump und zu offensichtlich. Immer vor wichtigen Wahlen. War bei Aiwanger auch so.“

„Das wichtigste an dieser Berichterstattung ist wohl, dass möglichst oft das Wort AfD fällt, um die EU-Wahlen negativ zu beeinflussen.“

„Die Kampagne gegen die AfD so kurz vor der Wahl ist schon beeindruckend. Ich frage mich nur, ob es einen einzigen AfD-Wähler gibt, der sich dadurch beeindrucken lässt. Bei mir zum Beispiel hat der Wunsch, AfD zu wählen, um 0,0 Prozent nachgelassen.“

„Die Verantwortlichen für dieses Schmierenstück werden sich täuschen: Jetzt erst recht, AfD !“

Aha! Die AfD macht keine Fehler. Und wenn doch, dann ist das erlaubt, weil es ja schließlich die gegnerischen Parteien noch viel schlimmer machen und die Strafverfolger ausschließlich auf der Jagd nach Rechtsaußen sind.

Angesichts dieser frustrierenden Gemengelage ist es nur tröstlich, dass die Mehrheit der Deutschen den Blauen bisher nicht auf den Leim geht …


Lesetipp: AfD – Sammelbecken der German Angst

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