Kindergrundsicherung in der Sackgasse

Gerade hat das Bundesverfassungsgericht die Regierung der Ampelkoalition bei der Verschiebung von Finanzmitteln in erheblichen Größenordnungen aus einem Notfallfonds zur Bewältigung der Corona-Krise in den Klimafonds zurückgepfiffen. Dessen Finanzierung hängt nun völlig in der Luft.

Auch bei ihren Reformvorhaben gerät die Bundesregierung in schwere See. So geriet die  Anhörung von Verbänden und Experten im Bundestag zur geplanten Kindergrundsicherung zum Desaster für die Regierungspläne. Kommunale Spitzenverbände und  Bundesagentur für Arbeit wiesen ebenso wie Wirtschaftsverbände und Wissenschaftler nachdrücklich darauf hin, dass der Gesetzesentwurf der Regierung im vorgesehenen Zeitraum gar nicht umzusetzen ist, dass viele Fragen von Zuständigkeiten und Datenschutz nicht geklärt sind und dass an der Sinnhaftigkeit der Reform im Hinblick auf das politische Ziel, Leistungen zu bündeln, den Zugang zu Leistungen zu erleichtern und Kinderarmut zu bekämpfen erhebliche Zweifel angebracht sind. Statt Leistungen zu vereinfachen, wird alles nur komplizierter und verwaltungsintensiver. Sozialverbände wiesen darauf hin, dass die geplanten Leistungen in der Höhe kaum geeignet seien, die finanzielle Situation einkommensschwacher Familien mit Kindern wesentlich zu verbessern. Die Kindergrundsicherung würde zudem funktionierende Strukturen, zum Beispiel in den Jobcentern, massiv beeinträchtigen, ohne etwas Besseres an anderer Stelle zu schaffen. 

Die Lebenssituation von Kindern und ihre Chancen lassen sich nicht von der Situation ihrer Familien trennen. Kinderarmut als solche gibt es, genau betrachtet, eigentlich nicht. Kinder sind arm, weil ihre Familien arm sind. Wenn man das ändern will, muss man überlegen, wie man die Situation der Familien verbessert. Da spielt Geld eine Rolle, aber auch und nicht zuletzt, der Zugang der Familie zum Arbeitsmarkt, die Infrastruktur für Bildung und Erziehung und die Unterstützung, die Familien zur Bewältigung ihrer Lebensprobleme bekommen. Das ist in der Forschung hinreichend belegt. Nur bei der Regierung scheint diese Erkenntnis noch nicht angekommen zu sein. 

Bei der nach dem Urteil des Verfassungsgerichts weiter zugespitzten Haushaltslage des Bundes bleibt die Frage, ob die erheblichen Kosten der Kindergrundsicherung, allein für den notwendigen Umbau der Verwaltung werden 500 Millionen Euro angesetzt, überhaupt noch zu stemmen sind. Auf jeden Fall müsste viel Geld für eine Reform in die Hand genommen werden, von der man schon jetzt weiß, dass sie ihr Ziel verfehlen wird. 

Deshalb sollte das Projekt gestoppt werden. Besser wäre, die Mittel einzusetzen, um Leistungen für Bildung und Teilhabe zu verbessern, den Zugang von Familien zu den vorhandenen Leistungen durch bessere Beratung und einfachere Verfahren zu erleichtern und die Infrastruktur für Familien und Kinder nachhaltig zu stärken, durch bessere Betreuungsschlüssel in Kitas, durch Stärkung von Schulen in sozialen Problemgebieten, durch Familienzentren und schnellere Integration von Immigranten in Arbeitsmarkt und Gesellschaft. 

Matthias Schulze-Böing

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