Alle Renten-Last der Jugend

Die Politik hat sich längst vom Prinzip der Generationengerechtigkeit verabschiedet

Ein menschenwürdiges Auskommen auch im Alter sollte das Ziel der Rentenpolitik sein. Von dem Anspruch ist das gegenwärtige Rentensystem allerdings meilenweit entfernt. Schlimmer noch: Mit jedem Dreh an den Stellschrauben dieser Sozialversicherung – der Öffentlichkeit zumeist als Reformschritt verkauft – gerät der Vorsatz immer weiter aus den Augen. Sozial ist die Versicherung schon nicht mehr, seit vor 30 Jahren begonnen wurde, sie schrittweise abzusenken! Sie fußt auch nicht mehr auf Rechtsstaatlichkeit, da bestimmte Renten privilegiert und die Kassen mit versicherungsfremden Leistungen geplündert werden, ohne dass sich die Beklauten wehren können. 

Weil die Realität immer näher an die unheilvollen Prognosen rückt, ist es allerhöchste Zeit für ein grundlegendes neues Rentensystem, denn es ist nicht fair – immer mehr Geld fließt von Jung zu Alt. Der Reformstau ist immens, doch auch die aktuelle Regierung kann sich nur zu Änderungen durchringen, die allenfalls marginale Auswirkungen haben und die Versicherung nicht armutsfest und demokratischer aufstellen. Die Krux liegt in der weit verbreiteten Überzeugung in den politischen Vorstandsetagen: Mit Rentenreformen, die ihren Namen verdienen, lassen sich keine Wahlen gewinnen. Und weil Politiker in der Regel in Wahlperioden planen und dabei aus Furcht vor der Macht der Rentnerklientel Grundrechenarten ausblenden und das Denken einstellen, gerät das System immer mehr in Schieflage. 

Kapitalismus pur

Alle Jahre wieder bleibt die Radikalkur aus und wird an der Rente herumgedoktert. Dieses Mal lassen sich Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) dafür feiern, dass sie mit geliehenem Geld fürs „Generationenkapital“ über die Börse dem umlagefinanzierten Rentensystem ein Stützfüßchen nach kapitalistischen Vorgaben spendieren. Jeder seriöse Bankberater würde seinem Kunden abraten, Schulden zu machen, um damit Aktien zu kaufen und damit zu spekulieren. Die Regierung weiß um dieses Risiko, will es aber eingehen, weil sie eh nicht mehr in Amt und Würden sein wird, wenn es zum Schwur kommt. 

Ursprünglich hatte die FDP noch viel größere Pläne. Sie wollte eine Aktienrente einführen – also, dass ein Teil der Rentenversicherungsbeiträge direkt in Wertpapiere investiert wird. Doch darauf konnte sich die Ampel nicht einigen. SPD und Grüne wollten nicht direkt mit Rentengeldern spekulieren. Nun aber stellt sich die nach dem jüngsten Schuldenbremsen-Urteil aus Karlsruhe die berechtigte Frage, ob ein aus Schulden finanzierter Kapitalstock verfassungskonform ist.

Aufgrund der nicht gerade ehrgeizigen Summen, die in den Fonds eingezahlt werden sollen, und in der Hoffnung, dass die Zockerei an der Börse mehr Erträge erwirtschaftet als Kosten für den Schuldendienst erwachsen, stehen letztlich ab Mitte der 30er Jahre lediglich Beträge zur Verfügung, mit denen die Mehrbelastungen der Beitragszahler gerade mal um 0,3 Prozent gesenkt werden können. Und: Eine Kompensation für den Bundeszuschuss wird es gar nicht geben. Und dies angesichts von Prognosen, nach denen in 15 Jahren fast jeder zweite Euro aus dem Bundeshaushalt in die Rente fließen könnte. 

Der Ertrag dieser schweren Geburt der Ampelkoalition steht im krassen Missverhältnis zum glamourösen Aufwand, mit dem die Pläne – die mit den ursprünglichen Absichten der FDP zur Aktienrente mit individuellen Rentenansprüchen nichts mehr zu tun haben, vorgetragen wurden. „Wir machen die Rente zukunftsfest“, jubelt Heil. Wenn man in die Schweiz oder nach Österreich blickt, kann einem freilich angst und bange werden. Dort gibt es neben viel höheren Grundrenten wegen einer gerechter auf alle Schultern verteilten höheren Beitragslast demnächst die 13. Monatsrente (Schweiz) und bekommen Rentner sogar Urlaubs- und Weihnachtsgeld (Österreich). 

Lindner spricht von einer „fairen“ Lösung für den Generationenvertrag, Heil erkennt gar ein „Versprechen für alle Generationen“. Beide übertreiben maßlos. Die „faire“ Lösung, für deren Kosten andere werden geradestehen müssen, ist zu teuer erkauft, gleichen die zu erwartenden Anlageerträge doch nicht ansatzweise die Zusatzausgaben aus, die ein bis 1939 garantiertes Rentenniveau von 48 Prozent des Durchschnittseinkommens erzeugt. In diesem Punkt hat die SPD ihr Wahlkampfversprechen durchgesetzt – und die Rechnung bei Beitrags- und Steuerzahlern abgeladen.  Ein eingefrorenes Verhältnis zum Durchschnittslohn sorgt auch nicht für Gerechtigkeit, wenn immer weniger Arbeitnehmer immer mehr Rentner finanzieren müssen.  

Zudem machen der Blog „Nachdenkseiten“ zurecht auf einen nicht unerheblichen Aspekt aufmerksam, dass nämlich nach aller Erfahrung der Betrieb einer Kapitaldeckung mehr kostet als der Betrieb einer mit Beiträgen finanzierten gesetzlichen Rente. Im Vergleich zum Betrieb der Riester-Rente liege das Verhältnis bei vier Prozent zu 25 Prozent der eingezahlten Beträge, heißt es.  

„Generationenkredit“

Noch einmal zurück zur „fairen“ Lösung, von der Finanzminister Christian Lindner gesprochen hat. Vom Aufbau des Generationenkapitals, besser wohl: „Generationenkredits“, haben die Jüngeren nur minimale Vorteile, und dass nur, wenn der Aktienmarkt sich langfristig nach oben entwickelt. Zinsen sowie Inflation müssen überdies niedrig bleiben, damit nach Abzug des Schuldendienstes noch etwas zu verteilen ist. Da Rentner auf keinen Fall an den Kapitalmarktrisiken beteiligt werden, müssen Beitrags- und Steuerzahler einspringen, wenn die Rendite ausbleibt. Diese Rechnung geht nur auf, wenn sich neue Beitragszahler finden. Wie anders als über die Einwanderung von Erwerbspersonen sollte das passieren? Sie werden nicht nur benötigt, weil sonst die Arbeit nicht erledigt wird. Sie werden auch benötigt, damit der Generationenvertrag das halten kann, was er verspricht. 

Die Regierung versucht, mit dem jetzt in der Rentenfrage hingehaltenen Stöckchen davon abzulenken, dass auch sie den Mut nicht hat, das Finanzierungsproblem der inzwischen systematisch asozialen Sozialsysteme – hier der Rente – grundsätzlich anzugehen. Bei Rentenfragen müssen Emotionen außen vor bleiben. Im Auftrag von Millionen von Betroffenen muss nüchtern analysiert, aber eben auch gehandelt werden. Wären die Regierungen zuletzt so vorgegangen, gäbe es weder Mütterrente noch die Rente mit 63 Jahren. Beide Rechnungen wurden ohne Skrupel den Jungen ausgestellt. Auch hier fehlt die direkte Relation zwischen Ein- und Auszahlung. Was man aus dem System herausbekommt, richtet sich nämlich nicht mehr vorrangig nach einer Formel von Beitragszahlungen und Arbeitsjahren, sondern allein nach dem Geburtsdatum – wenig vertrauensbildend für die junge Generation. 

Gutachter weisen Weg

Seit Jahren ist unbestritten, dass die soziale Sicherheit im Alter wie die gewünschte Balance zwischen den Generationen nur über einen umfassenden Umbau des Rentensystems garantiert werden kann.  Die Forderung existiert seit Heils Vorvorvorgänger Norbert Blüm (CDU) sich mit der Kampagne „Die Rente ist sicher“ kräftig blamierte. Zuletzt forderten die Wirtschaftsweisen Ende letzten Jahres, Hand an die Wurzeln des Systems zu legen. Angesichts der geltenden Regelung und des bevorstehenden Eintritts der Babyboomer in den Ruhestand drohe bei der gesetzlichen Rente „ein sinkendes Sicherungsniveau bei stark steigenden Beitragssätzen“, warnen die Experten in ihrem Jahresgutachten mit dem Titel „Wachstumsschwäche überwinden – In die Zukunft investieren“. 

Man muss die von den Wirtschaftsweisen gewünschten Optionen nicht in Gänze gutheißen, doch wären sie wenigstens eine Grundlage für eine Arbeit, der sich die Regierungen aus Angst vor einem Aufstand von Rentnern, Beitrags- und Steuerzahlern nicht stellen wollen. Nur wenige dieser Maßnahmen würden schnell wirken. Viele würden die Rentenkasse erst in Jahrzehnten voll entlasten. Aber es wäre ein Pfad erkennbar, wie das Rentensystem auf lange Sicht nachhaltig finanziert werden könnte. 

Als Kernelement ihres Umbaus nennen die Wissenschaftler die Kopplung des Renteneintrittsalters an die weiter steigende Lebenserwartung. Außerdem plädieren sie für eine auch in anderen Ländern praktizierte Inflationsanpassung der Rente, die sich dann nicht mehr an der allgemeinen Lohnentwicklung orientiert, sondern an der Entwicklung der Verbraucherpreise. Auf diese Weise bliebe die Kaufkraft der bestehenden Renten zwar erhalten. Von möglichen Steigerungen der Reallöhne hätten künftige Rentnergenerationen aber nichts. Deren Rentenanspruch soll überdies nach Einkommen gestaffelt werden. Wer wenig verdient, erwirbt überproportional höhere Rentenansprüche. Wer viel verdient, soll hingegen künftig etwas geringere Ansprüche sammeln können als bisher. Durch diesen Korrekturfaktor wollen die Wirtschaftsweisen das zuletzt weiter gestiegene Risiko der Altersarmut von Geringverdienern verringern.

Deutliche Kritik übten die Experten an der von der Ampel geplanten Festschreibung des Renten-Sicherungsniveaus von 48 Prozent des Durchschnittsverdienstes.  Dies sei „keine nachhaltige Lösung“, sondern verstärke „den absehbaren Anstieg der Beitragssätze noch“ und verschärfe damit den Verteilungskonflikt zwischen Rentenbeziehenden und Beitragszahlenden. Künftig müssten die Lasten zwischen beiden Gruppen aber fairer geteilt werden, heißt es.  

Forderungen, zukünftig auch Beamte zur Zahlung in die Rentenkasse heranzuziehen, lehnten die Ökonomen ab. Kurzfristig würde die Gesetzliche Rentenversicherung dadurch zwar entlastet. Langfristig würden die Finanzierungsprobleme der Rentenkasse wegen der im Schnitt höheren Lebenserwartung von Beamtinnen und Beamten damit allerdings weiter verschärft, warnt das Quintett.

Als eine wesentliche Ursache des sinkenden Renten-Sicherungsniveaus bei stark steigenden Beitragssätzen haben die Wissenschaftler unter anderem den Eintritt der Babyboomer in den Ruhestand und die steigende Lebenserwartung ausgemacht. Diese Korrelation stimmt so absolut aber nicht, auch wenn sie quasi in jeder Talkshow zum Thema Rente als Fakt verkauft wird. Ein zentrales Finanzproblem ist nämlich vor allem das sinkende Arbeitseinkommen, mit dem auch die Einzahlungen in die Rentenkasse geringer ausfallen. 

Seit 1990 stagnieren die durchschnittlichen Arbeitseinkommen der abhängig Beschäftigten, gemessen an der Kaufkraft. Mit den vier Hartz-Gesetzen der SPD-grünen Bundesregierung wurde der größte Niedriglohnsektor der EU gestartet Die Folge: Minijobs, befristete und Teilzeitarbeit, erweiterte Leiharbeit, Aushilfsarbeit von Migranten. Niedriglohnsystem und unfreiwillige Arbeitslosigkeit werden inzwischen miteinander kombiniert: Erzwungene Teilzeitarbeit, zwischenzeitliche Arbeitslosigkeit, Dauerarbeitslosigkeit – mit niedrigen oder keinen Rentenbeiträgen. Die jährlich offiziell erfassten etwa eine Milliarde Überstunden werden von den Unternehmern nicht bezahlt, bleiben ohne Arbeitseinkommen – und ohne Rentenbeitrag. Auch deshalb werden mögliche Arbeitsplätze nicht geschaffen und Arbeitslosigkeit und Rentenarmut gefördert.

Die Rente sei „stabil“, es müsse ja nur das Renteneintrittsalter erhöht werden, heißt es. Mit Fakten ist das freilich nicht zu belegen. Betrug die Standardrente 1990 noch 55 Prozent, so ist sie bis heute auf 48 Prozent des Durchschnittsgehalts gesunken – und das trotz eines inzwischen auf 67 Jahre erhöhten Renteneintrittsalters.  

Im Schatten des Haushalts

Diese Entwicklung hat ebenso mit den grundsätzlichen finanziellen Problemen zu tun, wie die Zahlung versicherungsfremder Leistungen aus der Rentenkasse. Zusammen kürzten die versicherungsfremden Leistungen den Bestand der gesetzlichen Rentenkasse im Jahr 2020 um 66 Milliarden Euro, das waren immerhin 22,9 Prozent der Rentenkasse. Aus diesem Schattenhaushalt wurden ehemalige SS-Mitglieder im Baltikum ebenso alimentiert wie Spätaussiedler aus der früheren Sowjetunion, Ex-DDR-Rentner, jüdische Opfer, frühverrentete Arbeitslose. Auch die Mütterrente wird über diesen Schattenhaushalt finanziert. Das alles ist aber durch Beiträge nicht gegenfinanziert und deshalb sind die gesetzlichen Renten so niedrig. Politiker, Selbständige und Beamte beteiligen sich nicht, obwohl es sich um die Finanzierung von Aufgaben der Allgemeinheit handelt. Resümee: Die, die in die Rentenkasse einzahlen, zahlen immer mehr und bekommen dafür immer weniger Leistungen. 

Der Griff in die Rentenkasse hat eine lange Tradition und die Dimensionen mit denen der Staat immer mehr versicherungsfremde Leistungen abverlangt, ohne sich um einen entsprechenden Ausgleich über Bundeszuschüsse zu kümmern, sind immens: Der Fehlbetrag in der Rentenkasse ist der Aktion Demokratische Gemeinschaft (ADG) zufolge auf mittlerweile sage-und-schreibe 909 Milliarden Euro gewachsen. Ohne diese Plünderung stünde die Rentenkasse heute besser da und es würde nicht über ein höheres Renteneintrittsalter diskutiert. 

Tipp: Nehmen Sie sich die Zeit und öffnen Sie den Link zur ADG. Spätestens nach dieser Lektüre fallen Sie vom Glauben ans deutsche Rentensystem ab!

Rentner erster Klasse

Zum Fehler im System gehören auch die Renten (auch Pensionen genannt) systemrelevanter Besserverdiener wie Manager, Beamte, Professoren, Offiziere, Bischöfe.  Für diese wird das Renteneintrittsalter nicht erhöht. Während sich die Arbeitgeberverbände von BDI, BDA, Gesamtmetall ohne Probleme allgemein für die Erhöhung des Renteneintrittsalters einsetzen, praktizieren sie in ihrem eigenen Milieu das Gegenteil. Top-Manager können ab dem 60. Lebensjahr in Rente gehen, im Durchschnitt gehen sie mit 62. Da gibt es keinerlei Vorschläge für die Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Zum Ausgleich wird ihr Abschied mit stattlichen Summen versüßt – auch unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Kein Wunder also, dass fürs Fußvolk weniger übrigbleibt. 

Immer weniger Ruheständler werden ihre Rente entspannt genießen können, wenn Reformen ausbleiben. Foto: Bruno / Pixabay

Verbeamtete Mitglieder der Bundeswehr können schon mit 55 Jahren in Rente gehen, Majore mit 59, Oberstleutnante mit 61, Oberste und Generäle mit 65. Auch auf diesem Feld gibt es keine Vorschläge, das Renteneintrittsalter zu erhöhen. Die Renten entsprechen übrigens den Beträgen des sonstigen Öffentlichen Dienstes. Privilegien genießen unter anderem noch kammerfähigen Berufe der gehobenen Selbstständigen (Anwälte, Apotheker, Architekten, Ärzte, Notare, Ingenieure…) oder Abgeordnete des Bundestags und der Landtage. 

Schweizer Vorbild

An diesem Punkt nun könnte eine Rentenreform ansetzen, die ihren Namen auch verdient. Neben der Abschaffung von Niedriglöhnen und der Herausnahme versicherungsfremder Leistungen aus dem Rentenhaushalt und der von den Weisen vorgeschlagenen Orientierung an der Entwicklung der Verbraucherpreise, geht es vor allem um eine Erhöhung der Zahl der Beitragszahler. Nach Schweizer Vorbild sollten alle Lohn- und Gehaltsbezieher, also auch Beamte, Manager, kammerfähige Berufe und Abgeordnete in das System einzahlen. Große Zustimmung wäre der Regierung gewiss, denn nach Umfragen wollen 81 Prozent der Erwerbstätigen und ebenso 81 Prozent der Selbstständigen ein solches auf mehr Schultern verteiltes Rentensystem. 

Der Rentenanspruch sollte der Gutachterempfehlung entsprechend nach Einkommen gestaffelt werden. Auch in Sachen Solidarität sind die Schweizer vorbildlich. Dort besteht Versicherungspflicht für alle und ist die Höhe der Beiträge nicht bei einem bestimmten Beitrag gedeckelt. Begrenzt ist aber die ausgezahlte Rente, die Besserverdienenden und Reichen stehen also für die Schwachen ein. Eine Blaupause für die deutsche Reform existiert also – und das Schweizer System funktioniert, eignet sich außerdem eher zur Nachahmung als die vielfach in die Diskussion eingeführte österreichische Vorlage. 

Wer im südlichen Nachbarland ein langes Erwerbsleben hinter sich hat, kann mit einer guten staatlichen Rente rechnen. Die Bezüge sind wesentlich höher als in Deutschland. Ein Grund: Fast alle Erwerbstätigen zahlen in die gesetzliche Rentenversicherung ein – auch die staatlichen, nachdem das Beamtentum aus Gründen der Gleichbehandlung fast gänzlich abgeschafft wurde. Schlechter gestellt sind Menschen, die nicht durchgängig in die Rentenkasse einzahlen. Erst nach 15 Beitragsjahren hat man Anspruch auf die gesetzliche Rente, in Deutschland sind es fünf Jahre. Und: Bei den Nachbarn im Süden gibt es kaum betriebliche Renten oder private Vorsorge als zusätzliche Säulen der gesetzlichen Rentenversicherung, die dennoch allein nach 45 Beitragsjahren 80 Prozent des durchschnittlichenLebenseinkommens garantiert. Das kostet die Tarifpartner vier Prozentpunkte höhere Sozialbeiträge und den Bund einen fünf Prozent höheren Bundeszuschuss. Selbst wenn die zu erwartenden Widerstände gegen höhere Belastungen und Abschaffung des Beamtentums überwunden werden können, dauerte es nach Expertenangaben eine Erwerbstätigen-Generation, also 40 Jahre, wollte man die gesetzliche Rente nach österreichischem Vorbild reformieren. Das Schweizer System wäre rascher umsetzbar. 

Schulden für weniger Schulden?

Die Bundesregierung beschäftigt sich mit solchen Planspielen freilich nicht, setzt derweil auf einen zusätzlichen mit Schulden finanzierten Kapitalstock, der dank der erhofften Erträge auf den Kapitalmärkten das Rentenniveau für künftige Generationen langfristig sichern soll. Sie will also allen Ernstes heute Schulden aufnehmen, um in wenigen Jahren weniger Schulden für die Renten-Zuschüsse machen zu müssen. Das ist gelinde gesagt, haushalts- und finanzpolitischer Unsinn. Merke: Es geht der Regierung gar nicht um die Rente, sondern um künftige Staatsausgaben. 

Es ist schon abenteuerlich, mit der Hoffnung auf nennenswerte Erträge aus einem noch zu speisenden Kapitalstock den Haushalt auf Jahre doppelt zu belasten: durch die Zuschüsse zu den laufenden Renten und die Einzahlungen in den Kapitalstock. Für die Beitragszahler gibt es so kein Eigentum, keine Entlastung und später wohl auch keine höheren Renten. In dieser von vielen erhofften Hinsicht ist das Generationenkapital ein Rohrkrepierer und nicht einmal unter dem Aktenregister „Reformschrittchen“ einzuordnen.  


Titelfoto: Gerd Altmann / Pixabay

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