Letzte Ausfahrt Karlsruhe

Die AfD gehört verboten / Teil 2

Wie umgehen mit der AfD? Seit Bekanntwerden eines Treffens rechter Aktivisten und Extremisten wird wieder lauter über einen Verbotsantrag debattiert. Groß ist die Angst, dass sich die „Alternativen“ als Märtyrer stilisieren könnten oder höchstrichterlich den Freifahrtschein als demokratische Partei ausgehändigt bekommen könnten. Aus dieser Angst heraus nicht zu handeln, kann aber schwerwiegendere Folgen haben, als die, diese Risiken einzugehen und die rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Eine sogenannte schweigende demokratische Mehrheit sieht mittlerweile Handlungsbedarf für eine härtere politische Gangart der Parteien des demokratischen Spektrums gegenüber den vor allem im rechten Lager zu findenden Gegnern der freiheitlichen verfassungsmäßigen Grundordnung, speziell gegenüber der AfD, in der Rechtsextremismus salonfähig geworden ist.  

Wir gehen einen Schritt weiter und versuchen uns an einem Plädoyer für eine parteiübergreifende Initiative zur Prüfung eines  Verbotsantrags. Denn allein die AfD, eine Partei mit eindeutig protofaschistischem und antidemokratischem Bodensatz, spielt mit verfassungsfeindlichem Feuer. Wir beachten dabei auch, dass selbst bei einem positiven Prüfresultat ein solches Verfahren enorm Zeit beansprucht und ein Verbot durch die Verfassungshüter in Karlsruhe letztlich auch daran scheitern kann, dass die AfD zwischenzeitlich durch herausragende Wahlergebnisse in die Lage versetzt wird, den Prozess zu beeinflussen. Aber: Wenn es um die Gefährdung der Demokratie geht, um die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei, sollten solche Verfahren in der Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts eben oberste Priorität haben. Vielleicht ist ja auch ein Zitat des früheren Freiburger Stadtrats Dubravko Mandic für eine Entscheidungsfindung hilfreich: „Von der NPD unterscheiden wir uns vornehmlich durch unser bürgerliches Unterstützerumfeld, nicht so sehr durch Inhalte.“

Darf man die AfD gut finden?

Ein eher zaghafte Umgang mit den gebräunten Feinden des Rechtsstaates speist sich auch aus der Überzeugung, man dürfe diese nicht noch weiter in die rechte Ecke drängen, keine Märtyrer schaffen. Die Botschaft lautet also: Die AfD ist demokratisch gewählt, die darf man gut finden; sie ist eine Partei wie andere auch. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass CDU und FDP in Thüringen mehrfach gemeinsam mit ihr Gesetze durchgesetzt haben. 

Wie überhaupt Spitzenvertreter von Union und FDP immer wieder jene Mischung aus schrillem Sound und halbgaren Fakten bedienen, mit der die AfD erfolgreich ist. Dem „Tagesspiegel“ ist die Erinnerung an vielleicht schon vergessene Stilblüten jener Art zu verdanken. Der CDU-Abgeordnete Tilman Kuban stellte etwa eine Kita an den Pranger, weil sie angeblich den Muttertag nicht ausreichend würdige – was so nicht stimmte. Als die Senderechte der „Winnetou“-Filme lediglich von der ARD ins ZDF wechselten, beklagten viele bei Union und FDP „Cancel Culture“ durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. CSU-Chef Markus Söder wettert gegen „Genderzwang“ – dabei gibt es kein Gesetz zur geschlechtergerechten Sprache. Justizminister Marco Buschmann (FDP) empörte sich, dass der sexistische Ballermann-Song Layla „behördlich“ verboten worden sei. Das war allerdings nie passiert. Und Friedrich Merz äußerte sich eine knappe Woche lang nicht zur großen Razzia beim Reichsbürger-Netzwerk rund um Heinrich XIII. Prinz Reuß. Dann lobte er, dass man „mit aller Härte“ gegen die Szene vorgehe, die allerdings keine Gefahr für die Demokratie sei – und begrüßte direkt danach „ausdrücklich“, dass es Hausdurchsuchungen bei Klimaaktivisten gegeben habe. Denn, so Merz, „auch das sind schwere Straftaten“.

Eine AfD-nahe Rhetorik hilft allerdings weder CDU noch FDP, sondern allein dem Original. Das lässt sich nicht nur an den Umfragewerten ablesen, sondern auch daran, dass lediglich das Potenzial der AfD zu wachsen scheint. Schon 2018 sprach der Höcke-Vertraute Götz Kubitschek davon, wie der Meinungskorridor in Deutschland nach rechts verschoben werden könne. Seine während einer AfD-Strategietagung vorgetragene Idee dreht sich um die Theorie des „Overton Fensters“: Was radikal war, werde akzeptabel, was akzeptabel war, werde populär. Dabei müsse man taktisch vorgehen, etwa indem Politiker aus den hinteren Reihen testeten, ob bestimmte Äußerungen noch Aufruhr verursachten. Inzwischen haben sich Politiker von CDU und FDP an diesen Tests beteiligt. 

Die AfD ist keine Partei wie andere, denn diese verfolgen keine menschenverachtende Politik, beispielsweiser im Sinne einer „Umvolkung“. Was für ein Wortungetüm! Und was für ein Angebot für jene, die Angst vor Überfremdung haben! Stellt sich nur die Frage: Wer bleibt denn in den deutschen Grenzen wohnhaft, nach einer solchen „Umvolkung“ oder einer „Remigration“ nach dem Verständnis der Rechtsaußen. Die blonden, blauäugigen Landsleute doch bestimmt, oder? Was ist aber, wenn diese eine offene Gesellschaft favorisieren, für freie Medien, für offene Grenzen innerhalb von Schengen sind, für doppelte Staatsbürgerschaft, für die Eindämmung des Autoverkehrs in Städten, für mehr Klimaschutz? Finden sich diese „Arier“ dann auch in Nordafrika wieder oder werden sie in ihrer Heimat weggesperrt?

Der Notfall ist eingetreten

Dass sich diese Gesellschaft immer wieder und immer öfter mit einem solchen Unfug befassen muss, ist ein Armutszeugnis. Die Demokratie müsse so eine Partei aushalten und sie politisch bekämpfen, heißt es ungeachtet der zu konstatierenden Erfolglosigkeit dieser Strategie, weil sich die Rechtsextremen kaum im öffentlichen Raum und schon gar nicht in den von ihnen gekaperten Social-Media-Räumen politisch bekämpfen lassen. 

Ein Parteiverbot müsse die Ultima Ratio sein, heißt es noch. Das schärfste Schwert der Demokratie dürfe nur im Notfall zum Einsatz kommen; zumal die Hürden hoch und die politischen Risiken groß seien. Nun, der Notfall ist eingetreten. Diese Republik ist an einem Punkt angekommen, an dem ein Verbotsverfahren gegen die AfD angestrengt werden muss. Ihre Spitzenfunktionäre reden von „Passdeutschen“ oder „Kulturfremden“, von „globalistischen Eliten“ und diffamieren Migranten. Sie behaupten, die Bundesrepublik sei „kein souveränes Land“, und wollen die „Frage nach der Schuld“ für den Zweiten Weltkrieg durch „die Frage nach den Errungenschaften“ ersetzen. Sie kritisieren rechtsstaatliche Entscheidungen als „Willkür“, wenn sie nicht so ausfallen, wie sie es gerne hätten. Sie behaupten, dass nur sie für „das Volk“ sprächen und Deutschland vor einem vermeintlichen Untergang retten würden. Rechtsextremer geht es doch kaum. Worauf also noch warten?

Es ist nur zu hoffen, dass Exekutive und Judikative den Ernst der Lage begreifen, bevor sich das Toleranz-Paradoxon des Philosophen Karl Popper bewahrheitet. Das wird dann wirksam, wenn eine Macht es aufgrund ihrer Toleranz intoleranten Kräften ermöglicht, die eigene Toleranz einzuschränken oder abzuschaffen. Zwar zeichnen sich Demokratien dadurch aus, dass sie den Regierungswechsel möglich machen, damit sich alternative Konzepte beweisen können. Dieser Grundsatz ist jedoch selbstmörderisch, wenn die Alternative im Verdacht steht, das System abschaffen zu wollen. Der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland hatte das noch in Amt und Würden mit „Machtergreifung“ umschrieben.

Die so oft zitierte wehrhafte Demokratie muss ihre Möglichkeiten auch konsequent nutzen, schließlich ist es unstrittig, dass die AfD bei erster Gelegenheit die Republik nachhaltig verändern und damit die liberale Demokratie beerdigen würde. Dass diese Sichtweise  inzwischen Raum greift, lasst sich an der breiten politischen Debatte zum Verfassungsgericht ablesen, für dessen Schutz sogar eine Verfassungsänderung im Gespräch ist, die freilich auch zügig angepackt werden müsste. 

Misstrauen gegenüber dem Volk

Der deutsche Rechtsstaat lässt sich sogar per Verfassung vor seinen Feinden schützen. Das ist ziemlich einmalig auf der Welt.  Das Arsenal, das das Grundgesetz bietet, ist gewaltig: Parteiverbot, Verwirkung von Grundrechten, das Einfrieren staatlicher Zuwencdungen, Organisationsverbot, Ewigkeitsklausel. Das Vorhandensein eines solchen Arsenals allein schützt die Demokratie nicht. Es genügt nicht, nur den Mund zu spitzen, man muss auch pfeifen – so laut und deutlich, dass es in Karlsruhe gehört wird, auch wenn die Demokratie damit quasi ihr Misstrauen gegenüber dem Volk ausspricht. 

Denn ein Verbot einer von vielen Bürgern gewählten Partei wäre zweifellos ein Eingriff in die Freiheit der Bürger. Der Staat spricht damit deren Wählern „moralische Substanz“ ab und maßt sich an, autoritär zu garantieren, was er mit dem Eingriff gerade aufhebt: die Freiheit. Aufhebbar ist dieser Widerspruch nicht. Denn laut dem Rechtsphilosophen Ernst Wolfgang Böckenförde „lebt der freiheitliche, säkularisierte Staat  von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist.“ Andererseits: eben diese Freiheit ist ja zunächst durch die AfD bedroht. Ergo: Wehret den Anfängen!

Aktuell soll doch mit einem Verbotsverfahren keineswegs missliebige AfD-Politik per Gerichtspolitik verhindert werden, wie die AfD-Spitze tönt. Andere Meinungen muss man in einer Demokratie aushalten; die Verharmlosung oder die Glorifizierung von NS-Verbrechen aber, Rassismus, Antisemitismus bis hin zu Gewaltfantasien über den politischen Gegner oder Personengruppen, die nicht ins Weltbild passen, aber auf keinen Fall! 

Die AfD ist eine strukturell rechtsextreme Partei mit Netzwerken in den sogenannten vorpolitischen Raum, zum rechtsextremen Thinktank „Institut für Staatspolitik“ um Götz Kubitschek zum Beispiel, oder zur völkisch-rechtsextremen Identitären Bewegung um Martin Sellner. Wenn der Staat also zunehmend zu der Erkenntnis gelangt, dass die AfD rechtsextrem ist und eine Gefahr für die Demokratie darstellt, dann müssen dem Ruf nach einem Verbot auch Taten folgen.

Es geht auch darum, einen gewalttätigen Staatsstreich zu verhindern, den der immer mehr an Einfluss gewinnende völkische Flügel der AfD um Björn Höcke plant, weil sich das deutsche Volk nach dessen Überzeugung in einem „Überlebenskampf“ befindet. Deshalb übrigens gelingt auch die von der AfD-Spitze zur Beruhigung der Öffentlichkeit versprochene Abgrenzung zur rechtsextremistischen „Identitären Bewegung“ nicht, die übrigens ebenso den Umsturz auf ihrer Agenda hat wie die erstaunlich große Zahl an „Reichsbürgern“.

Ein Ausflug zu dieser Spezies ist auch im Kontext der Debatte um das AfD-Verbot durchaus angebracht. Zu den Reichsbürgern zählt unter anderem die Juristin Birgit Malsack-Winkemann. Bis Herbst 2021 saß sie für die AfD im Bundestag, danach arbeitete sie in ihrem alten Job als Zivilrichterin am Landgericht Berlin, bis sie im Dezember 2022 von Spezialkräften der Polizei verhaftet wurde. Malsack-Winkemann wird sich wohl bald vor Gericht wegen Terrorvorwürfen und der Vorbereitung zum Hochverrat verantworten müssen. Sie gehörte zur Reichsbürger-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die einen Putsch geplant haben soll. Der Fall zeigt, wie weit sich einige Politiker der AfD in den vergangenen Jahren radikalisiert haben. Und so stellt sich doch wohl bei der Debatte zum Verbotsantrag die Frage: Sollte eine Partei weiter existieren, deren Ideologie mutmaßliche Terroristen erschafft? 

Warten auf ein Urteil

Für ein Verbot würde dies alles allein nicht ausreichen, heißt es. Man müsse der Partei nachweisen, dass sie „planvoll“ auf die Beseitigung der demokratischen Grundordnung hinarbeite. So hat es das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur NPD formuliert. Für die gesamte AfD ist diese Hürde nach Einschätzung vieler, aber nicht aller Juristen noch zu hoch. Das zweimalige Scheitern, eine völkische Partei aus der deutschen Gesellschaft zu verbannen, wirkt bis heute nach. Die Angst, erneut erfolglos zu bleiben, ist groß. Doch ebenso groß ist die Gefahr, dass diese Demokratie in Schönheit stirbt. Was gibt es da noch abzuwägen?

Einer Partei gerichtsfest Extremismus nachzuweisen, ist schwierig. Aber  Thomas Haldenwang, der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, liefert im Innenausschuss des Bundestags in Anwesenheit von AfD-Abgeordneten Munition:  „Da finden Hass und Hetze gegen Minderheiten aller Art statt, wir sehen Muslimfeindlichkeit, wir sehen Fremdenfeindlichkeit, wir sehen herabwürdigende Behandlung von Menschen mit anderer sexueller Orientierung, wir sehen unterschwelligen Antisemitismus.“Immer wieder gebe es auch AfD-Abgeordnete, „die öffentlich russische Narrative verbreiten und Sympathie für Putin äußern“. 

Das sollte doch ausreichen, zumindest die Prüfung eines Verbots der AfD einzuleiten. Allerdings stehen die Beobachtungen des Verfassungschutzes unter Vorbehalt. Denn auf Antrag der AfD muss das Oberverwaltungsgericht Münster klären, ob die Behandlung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall rechtens ist. Eine Entscheidung wird für Ende Februar 2024 erwartet. Sollte die Klage der AfD abgewiesen werden, deutet einiges darauf hin, dass der Verfassungsschutz die gesamte AfD in einem nächsten Schritt bundesweit als „gesichert extremistisch“ einstufen könnte. Sie gälte dann als durchgehend rechtsextremistische Partei. Die gängigen Merkmale erfüllt sie schon jetzt, schließlich zielt die Partei auf die Entrechtung und Erniedrigung ganzer Bevölkerungsgruppen. 

Ist aber eine Partei verfassungswidrig unterwegs und das hat keine Konsequenzen, ist der Schaden höher, als wenn deren Wähler sich verdutzt fragen, wo ihre Partei geblieben ist. Spätestens eine juristische Niederlage der AfD vor dem OVG Münster wäre ein weiteres Indiz für die Gefährlichkeit der Partei und sollte die Träger von Bedenken gegen die Einleitung eines Verbotsverfahren umstimmen. 

Zumal auch das Rechtsgutachten des deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin feststellt, dass „die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für ein Verbot der AfD“ vorliegen. Etwa weil die Partei konsequent Grundrechte missachte. Sie gehe dabei „planvoll“ vor, „um ihr Ziel der Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu erreichen“. Die Direktorin des Instituts, Beate Rudolf, schreibt dazu: „Gerade die deutsche Geschichte hat gezeigt, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung eines Staates zerstört werden kann, wenn menschenverachtende Positionen nicht rechtzeitig auf energischen Widerspruch stoßen und sich so verbreiten und durchsetzen können.“

Nur Mut zum Verbotsverfahrten möchte man den etablierten demokratischen Parteien zurufen. Jenen, die den Befürwortern den Kampfbegriff vom Autoritarismus entgegen schleudern, sei gesagt: Es ist nicht undemokratisch, eine Partei zu verbieten, weil sie unliebsame Meinungen vertritt! Schließlich wurde die bundesdeutsche Demokratie nicht für das gesamte Meinungsspektrum gegründet. Sie impliziert als Lehre aus der Geschichte daneben eben auch das Verbot verfassungsfeindlicher Parteien als schärfste Waffe des Rechtsstaates. Also muss die Demokratie nicht sehenden Auges auf den Abgrund zusteuern. Denn merke: Ist die AfD erst an der Macht, wird sie alles tun, diese nicht mehr abgeben zu müssen. Und dann hilft kein „So hatten wir es uns aber nicht vorgestellt“. Dann wird es so, wie es sich die AfD vorstellt. 

Der  Werkzeugkasten der wehrhaften Demokratie ist gut gefüllt. Das Werkzeug muss nur auch genutzt werden, so wie jüngst beim höchstrichterlich gebilligten Ausschluss der NPD von der Parteienfinanzierung. So ist auch ein Entzug von Grundrechten für einen Unbedingten wie Björn Höcke denkbar. Man sollte es versuchen. Natürlich kann man scheitern, so wie der Versuch eines Parteiverbots scheitern kann. Das wäre eine Blamage, die AfD und ihre Anhänger würden frohlocken. Aber es wäre schlimmer, sich lammfromm den Unbedingten auszuliefern.

Wer eine AfD mit Björn Höcke & Co. wählt, der wählt Faschisten. Man sollte nicht darauf vertrauen, dass sich am Ende die weniger radikalen und verfassungstreuen Kräfte in der AfD durchsetzen. Bisher ist diese Spezies, namentlich Bernd Lucke, Frauke Petry, Jörg Meuthen, mitsamt Anhang verdrängt worden. Deshalb wäre es naiv anzunehmen, die AfD würde nicht von Verfassungsfeinden geprägt, von Leuten, die von einem autoritären System träumen. 

Die AfD ist eine Partei, deren wichtigste Vertreter ihre politische Leidenschaft aus einem Hass ziehen gegen alles, was ihnen nicht deutsch genug erscheint. Hass auf Kompromisse. Hass auf ihre Kritiker. Diese verbreitete Verachtung gebiert Menschenfeindlichkeit. Und völkisches Denken. All dies macht die Führungsriege der AfD zu gefährlichen Leuten, die keine politische Macht bekommen sollten. Aber auch in der zweiten Reihe tummeln sich Radikale. Beim AfD-Parteitag zur Nominierung der Kandidaten und Kandidatinnen für das Europaparlament setzten sich jedenfalls jene durch, die besonders forsch auftraten. Wer vom großen Austausch, globalisierten Eliten und dem antisemitischen Code schwadronierte, war sich des Beifalls und eines erfolgversprechende Listenplatzes sichert. Mit Maximilian Krah an der Spitze schickt die AfD eine Truppe ins Europaparlament, die das System, das ihnen dann ihr Auskommen sichert, abschaffen soll.  

Ein Strauß von Meinungen

„Parteiverbote haben noch nie dazu geführt, dass man ein politisches Problem löst“, sagt CDU-Chef Friedrich Merz. Es geht aber inzwischen nicht mehr um ein politisches Problem, denn dann müsste Programm und Politik der AfD am Gemeinwohl orientiert sein.  Die AfD will die Demokratie in ein anderes System überführen und organisiert bereits mittels Falschnachrichten Störfälle. Daher muss das Instrument genutzt werden, das im Grundgesetz für genau solche Fälle vorgesehen ist. 

Um verboten werden zu können, muss eine Partei nicht nur erwiesenermaßen verfassungsfeindlich sein, sie muss auch aktiv und planvoll auf „die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ hinwirken. In seiner früheren Rechtsprechung hielt das Bundesverfassungsgericht dabei eine „aktiv kämpferische, aggressive Haltung“ für erforderlich. Straftaten würden dazugehören, Gewalt, eine Atmosphäre der Angst, um die Meinungsfreiheit anderer zu beeinträchtigen.

Manche Verfassungsjuristen meinen, dass diese Hürde zuletzt gesenkt worden sei. „Wenn ich es richtig sehe, spielt das Aggressiv-Kämpferische keine Rolle mehr“, sagt der Berliner Universitätsprofessor Christoph Möllers, einst Bevollmächtigter des Bundesrates im zweiten NPD-Verbotsverfahren. Stattdessen gehe es darum, „dass es einen politischen Plan gibt, wie die verfassungsfeindliche Gesinnung durchzusetzen ist“. Die Partei müsse also handeln, „das tut sie in aller Regel aber, weil sie sonst keine Partei wäre“.

Der Bonner Staatsrechtler Udo Di Fabio, Richter  im ersten NPD-Verbotsverfahren, meint dazu: Eine Partei brauche zwar „keine 500.000 Mann SA auf der Straße“, damit man sie verbieten könne. Ganz ohne den Nachweis einer aggressiv-kämpferischen Haltung gehe es aber nach wie vor nicht. Allerdings sieht Di Fabio bei der AfD dafür Ansatzpunkte. Schließlich sei auch Hass ein Indiz für eine aggressiv-kämpferische Haltung. Und gehasst wird reichlich in der AfD.

Ist es zu spät für ein Verbot, weil die AfD im demokratischen System längst ihren festen Platz gefunden hat und in immer mehr Kommunalparlamenten mitarbeitet? Der Soziologe und Extremismus-Forscher Matthias Quent warnt davor, die AfD als normale Partei zu akzeptieren. Vergleiche man sie mit anderen extrem Rechten in Europa, sei sie mit ihrer harten völkischen Ideologie wesentlich extremer, sagt Quent. Außerdem sei es auffällig, bei wie vielen Gewalttaten in Deutschland es Berührungspunkte mit der AfD gebe, sei es beim Attentat auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, dessen Mörder Wahlplakate für die AfD klebte, sei es bei den Umsturzplänen der »Reichsbürger«-Truppe um Prinz Reuß. Dieses Phänomen finde man ebenfalls bei keiner anderen rechten Partei dieser Größe in Europa. Das erfordere einen besonderen Umgang mit der AfD – auch wenn es am Ende nicht gleich ein Verbot sein müsse. 

Soll man sie also  einbinden in Regierungen und Koalitionen und hoffen, sie würden sich schon de-radikalisieren im Abklingbecken der Tagespolitik? Fast alles ist schon versucht worden, mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen. In Italien etwa hat sich Ministerpräsidentin Giorgia Meloni als relativ gemäßigt erwiesen. Aber in Polen und Ungarn haben die Rechtsnationalisten, kaum an der Macht, sofort mit der systematischen Demontage der Demokratie begonnen. 

Durch ein Parteiverbot verschwinden die Anhänger rechter Ideologien ja nicht, heißt es noch. Es gebe in Deutschland einen bestimmten Prozentsatz an Menschen, „die grundsätzlich eine sehr völkisch-nationalistische Einstellung haben“. Die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung geht davon aus, dass acht Prozent der Menschen in Deutschland ein klar rechtsextremes Weltbild teilen. Vergraulte acht Prozent sind aber keine mehr als 30 Prozent, die laut Umfragen einer solchen Politik zum Durchbruch verhelfen könnten.

Das sagt die AfD

Die Drohung mit einem Verbot sieht AfD-Chef Chrupalla vor allem als einen Akt der Hilflosigkeit der anderen. „Ein Mittel, uns als Opposition kleinzuhalten“, wie er es formuliert. Oder ganz auszuschalten, was nicht gelingen werde. Die AfD sei im Parteienspektrum fest verankert.

Während der AfD-Chef noch über den Rechtsstreit nachdenkt, hält sich sein Parteifreund Höcke damit schon längst nicht mehr auf. Bei der Pegida-Kundgebung in Dresden erklärt er, Deutschland sei bereits im Stadium „des Vorbürgerkriegs“. Er fordert die Demonstranten auf: „Schaut euch ins Gesicht.“ Wenn es „hart auf hart kommt, dann werden wir uns erkennen“, sagt Höcke. „Dann sind wir das, was wir immer waren: treu und deutsch und eine Gemeinschaft, die die Zukunft erkämpfen wird.“

Das klingt wie eine Drohung und bestärkt die Befürworter eines AfD-Verbots zur Rettung der Demokratie. Parallel dazu muss die Regierung eine verlässlichere Politik für eine verunsicherte Wählerschaft abliefern und sollten maßgebliche Institutionen der politischen Bildung sowie der Medien effizienter gegen braunes Gedankengut vorgehen. Der Brandbrief von Lehrern einer Schule im. Spreewald zeigt deutlich, wie weit sich diese Pest bereits verbreitet hat.  

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Links zur Vertiefung

Höcke will den Bürgerkrieg

AfD-Vorstand posiert vor Wolfsschanze – mit Hand am Herz

Reise einiger AfD-Mitglieder zum Geburtshaus von Hitler

AfD-Abgeordneter verschickt […] Hitler-Bilder und Hakenkreuzfotos

AfD-Mann wirbt mit strafbarer Nazi-Parole

Er […] beklagt die ‚Herstellung von Mischvölkern‘ […].  Und dann erklärt er ‚hiermit diesen Schuldkult für beendet, für endgültig beendet‘.

Grauf: ‚Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millione Tote. […] Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen. SIEG HEIL!‘

„AfD-Abgeordnete führte Terrorverdächtige durch den Bundestag“ (mehrere AfDler an Terrorzelle beteiligt)

AfD wählt Terrorverdächtigen in Fachausschuss zu ‚Innerer Sicherheit‘

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Verständnis für Rechtsterrorist“ 

Wie der enttarnte BND-Doppelagent soll auch er AfD-Sympathisant sein.

2 Gedanken zu „Letzte Ausfahrt Karlsruhe

  1. Wiederum bin ich begeistert von der Tiefe der Analyse und dem profunden Kenntnissen.

    Der einzige Punkt, den ich vermisse, ist die Medienanalyse. Wie schon damals das Aufkommen eines neuen Kommunikationsweges die faschistische Bewegung sehr beflügelte, so sind es jetzt die sozialen Medien, die unkontrolliert Unwahrheiten und neue Welten schaffen. Die Demokratie muss darauf eine Antwort haben.

  2. Ohne Zweifel eine unappetitliche Truppe! Aber verbieten? Die Chancen für ein Verbot durch das Verfassungsgericht liegen bei unter 50%. Wenn es scheitert jubelt die AFD. Wenn es erfolgreich ist, wird unter anderem Logo innerhalb sehr kurzer Zeit ein AVATAR entstehen. Es spricht nichts dagegen, dass diese neue Partei angesichts der Probleme des Landes und der Qualität des politischen Personals, nicht genauso erfolgreich sein würde wie die alte!
    Ergebnis : Schaden bei Scheitern hoch und Ertrag bei Erfolg gering. Gute Geschäfte sehen anders aus!
    Ich räume Frau Wagenknecht größere Chancen ein, die AFD zu halbieren. Wenn das denn am Ende ein Fortschritt ist?

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