Der Coup der Banken

Wie Lobby-Arbeit perfekt funktioniert, das lässt sich an den jüngsten Planungen der EU für ein Verbot (was sonst?)  des Erlösmodells von Neobrokern ablesen. Man wolle Verbraucher vor suboptimalen Entscheidungen schützen, gab das Europäische Parlament Ende Juni als Begründung für das Verbot an. Die Verbraucher wollen aber gar keinen Schutzschirm über sich aufgespannt sehen. 

Die Online-Händler sind der etablierten Finanzbranche vor allem deshalb ein Dorn im Auge, weil sie ein Modell entwickelt haben, mit dem sich Geld verdienen lässt, obwohl die Anleger nur mit geringen oder gar keinen Transaktions- und Depotkosten belastet werden. Das bedroht das Geschäftsmodell von Börsen, Banken, Sparkassen und Finanzmaklern, die zuletzt im Wettbewerb mit Neobrokern immer mehr Probleme damit hatten, teure aktive Fonds an den Kunden zu bringen. Deshalb haben sie ein Ende des „Wilden Westens“ am Finanzmarkt herbeigesehnt und dementsprechend in Brüssel vorgesprochen. 

Von Wildwest kann dabei aber keine Rede sein. Aus der Schar von Millionen Kleinanlegern bei den Online-Brokern gibt es auch keine Klagen über unfaire Behandlung geschweige denn über finanzielle Benachteiligung. Sie haben sich aus Kostengründen auch damit arrangiert, dass Neobroker ihre Provisionen damit verdienen, dass sie die Aufträge ihrer Kunden an vertraglich gebundene Börsen weiterleiten (Payment for Orderflow, PFOF), die Kunden also zumeist gar keinen Einfluss darauf nehmen und so mögliche Vorteile beim Kaufpreis der Aktie wahrnehmen können. 

Warum aber lassen sich Kleinanleger auf derlei intransparente Bevormundung ein? Weil sich der Preisnachteil des Wertpapierkaufs bei fixierten Börsenplätze in kaum spürbaren Dimensionen bewegt und lange nicht an die recht ordentlichen Orderprovisionen der Banken heranreicht. Eine Studie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat 2022 dagegen ergeben, dass für Kundenaufträge mit geringerem Umfang „die Ausführung über PFOF-gewährende Handelsplätze überwiegend vorteilhaft“ ist. Gehe es um höhere Beträge und seien nur wenige Aktien handelbar, gingen Vorteile verloren. Das ist ja vor allem für Kleinanleger, die mit kleinen Beträgen operieren (müssen) wohl eher ein Argument für das System. 

Viel gewichtiger, als diese minimalen Unterschiede der im Preis des Wertpapiers versteckten Kaufkosten sind doch die Gebühren der Banken bei ETF und Fonds. Da werden risikoscheue Kleinanleger im Vergleich zu Neobrokern richtig zur Kasse gebeten. Stiftung Warentest“-Redakteur Roland Aulitzky sagt denn auch gegenüber „Bild“: „Es gibt keine Belege dafür, dass Anleger bei Neobrokern durch Exklusivverträge höhere Preise zahlen als an anderen Handelsplätzen“. Er befürchtet große Nachteile für die Verbraucher, sollte das Verbot wie geplant das EU-Parlament passieren. 

Die Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hatte einen Interessenskonflikt bemängelt: Payment for Orderflow (PFOF) motiviere Broker, Kunden nicht die günstigste Börse anzubieten, sondern die, für die sie Geld bekommen. Na, sowas aber auch! Die Aufsicht tut gerade so, als ob die Banken bei der Beratung ihrer Kunden nur deren Vorteil im Auge hätten. Die Berater haben vielmehr klare Vorgaben, welche Papiere an den Mann/die Frau gebracht werden müssen. Das PFOF-Verbot soll eine faire Behandlung der Kunden garantieren, heißt es. Dann muss aber auch das Geschäftsgebaren der Banken auf den Prüfstand. 

Die Verlierer der Neuerungen sind ausgemacht: Kleinanleger und Neobroker, deren beider Geschäftsmodell kassiert wird. Die Gewinner sind Börse, Banken und Anlageberater, die sich unangenehmen Wettbewerb vom Hals geschafft haben. Darunter wird die Aktienkultur in Deutschland leiden – und das gerade in einer Zeit, in der die Bundesregierung mit dem Gedanken spielt, die Bevölkerung auf eine „Aktienrente“ einzuschwören. Die Entscheidung steht auch nicht im Einklang mit den Zielen der EU-Kommission, neue Möglichkeiten zur Kapitalbildung zu schaffen. Sie dient allein jenen Akteuren, die über die Ausschaltung von Wettbewerbern mit hohen Provisionen und Gebühren ihr Bestehen sichern wollen. 

Im Sinne der Kleinanleger bleibt zu hoffen, dass die Neobroker ein Geschäftsmodell entwickeln können, mit dem der Wettbewerb doch aufrechterhalten werden kann. So ist in der digitalen Welt die Flatrate weit verbreitet, mit der sich ein Gebührenmodell für die Klientel lässt. Auch könnten sie beispielsweise neben ihrem bisherigen festen Handelsplatz mehrere Börsen anbieten und die Kosten je nach Börse staffeln. Man kann erahnen, wo Kleinanleger ordern werden. Teurer wird´s für sie auf alle Fälle. Ein kleiner Trost: Bei Xetra können sie nur bis 17.30 Uhr handeln, bei Neobrokern von 8 bis 22 Uhr und damit auch nach Feierabend. Noch hat die EU die längeren Handelszeiten ja nicht verboten…

Frank Pröse

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