Die Ampel-Regierung ist Geschichte. Es ist der Schlusspunkt einer langen Phase der Agonie. Der nicht mal mehr zum Zweckbündnis mutierten selbst ernannten Fortschritts-Koalition fehlt nun mit der FDP eine Grundfarbe. Übergangsweise regiert Rot-Grün im Bund. Wie lange dieser Übergang dauert, wird sich noch erweisen. CDU-Chef Friedrich Merz will die Gunst der Stunde nutzen und bedrängt den Kanzler, die Vertrauensfrage so rasch als möglich zu stellen. Er will die Insolvenz der Restampel dokumentiert sehen und verhindern, dass SPD und Grüne in der Auslaufphase ihrer Regierung noch Sympathiepunkte sammeln können. Olaf Scholz will aber möglichst nach Absprache mit der Union als Mehrheitsbeschaffer dringende Gesetzgebungsverfahren noch vor Jahresultimo abschließen. Ob dafür auch 21 Tage bis zur Auflösung des Bundestages reichen würden, wenn der Kanzler die Vertrauensfrage wie von Merz gefordert bereits nächste Woche stellen würde, gehört zu den Unwägbarkeiten des parlamentarischen Betriebs.
Zu den Gründen für das Scheitern dieser Regierung ist seit Wochen schon nahezu alles gesagt. Unterm Strich haben alle drei Partner zu oft ihre eigene Agenda verfolgt. Die von Olaf Scholz Richtung FDP beklagte fehlende Kompromissfähigkeit ist freilich allen zu attestieren. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich vor allem die Liberalen im Gefolge des Egotrips ihres Vorsitzenden in einer Blockadehaltung gefallen haben. Und so ist es gut, dass endlich die Reißleine gezogen ist, zumal die Erklärungen von Olaf Scholz und Christian Lindner tief in die zerrütteten Verhältnisse der Vertragspartner blicken lassen.
Wer letztlich mit welcher Forderung oder Provokation ursächlich für den Ampel-Bruch war, ist mediales Schaulaufen und letztlich für die Gesamtschau unerheblich. Allenfalls für die ums Überleben kämpfende FDP könnte die Deutung wichtig sein. Die gut vorbereitete Rede des Kanzlers lässt darauf schließen, dass er sich das Heft des Handelns nicht von der FDP aus der Hand nehmen lassen wollte. Das die SPD und die Grünen provozierende und als Scheidungsantrag gedachte Wirtschaftspapier Lindners und dessen Forderung nach einem „geordneten“ Weg zu Neuwahlen lassen vermuten, dass die FDP ohnehin bis zum Wochenende ausgestiegen wäre. Vielleicht wäre es gar nicht zu diesem Showdown gekommen, hätte Olaf Scholz eine ähnliche dramaturgisch und emotional starke Rede früher gehalten, freilich ohne den Regierungspartner verächtlich zu machen und somit staatstragender. Bei der Bevölkerung wäre diese von ihr bestellte charismatische Führung sicher gut angekommen, selbst wenn die Ampel deshalb schon auseinander geflogen wäre.
Nun, die Fortschrittsparteien haben es versemmelt. Von ihrer doch in nicht wenigen Bereichen guten Regierungsarbeit wird wenig im Gedächtnis bleiben. Vielleicht schaffen SPD und Grüne mithilfe der von Merz schon mehrmals angebotenen konstruktiven Oppositionsarbeit wie beim Sondervermögen der Bundeswehr oder beim Bürgergeld doch noch einen geordneten Übergang zu Ordnung und Gestaltung statt in eine quälend lange Ausweglosigkeit. Punktuelle Zusammenarbeit sollte ja zudem auch im Sinne des mutmaßlichen Siegers einer Neuwahl liegen. Der kann so Themen abräumen, die ohnehin auf seinem Tisch landen würden. Das lenkt den Blick aber auch auf mögliche Koalitionspartner. Und da ist angesichts jüngster Umfragen festzustellen, dass die Union im Hochgefühl der lang ersehnten aktuellen politischen Konstellation die aussichtsreichsten potenzielle roten und grünen Kandidaten für die voraussichtlich schwierige Herstellung stabiler Mehrheitsverhältnisse lieber nicht zu sehr demütigt. In konstruktiver Zusammenarbeit lassen sich die Partner in spe außerdem bestens kennenlernen.
Ein weiterer nicht zu verachtender Aspekt: Ein veritabler Streit würde zudem AfD und BSW in die Hände spielen, denen immer mehr Sympathien zufliegen, je chaotischer sich disruptive Ereignisse bei gleichzeitig beängstigenden fundamentalen Herausforderungen überschlagen. Diese Unsicherheit und Angst wird vor allem von den Rechten bespielt, die als Lösung die Rückkehr zum noch gut erinnerlichen und verklärten Gestern anbieten. Es ist zu befürchten, dass sich eine Regierung unter Friedrich Merz mit ihrer Politik an das von der AfD geprägte rechte Meinungsklima anschmiegt. Potenzielle Minister wie Jens Spahn oder auch CSU-Chef Markus Söder argumentieren ja schon teilweise wie Rechtspopulisten.
Das ist die Situation zum Ende einer Ära, die mit fröhlichen Selfies begonnen hat. Die Protagonisten von damals können nur davon träumen, wieder gewählt zu werden. Rote, Grüne und Gelbe werden sich womöglich in thüringischen Verhältnissen wiederfinden. Das gilt dann freilich auch für die Unionsparteien….