Auch wenn es viel um Gefühle geht und weniger um biologische Fakten: Die aufdringliche Identitätspolitik als zentraler Bestandteil des woken Zeitgeistes bedroht Freiheit und Demokratie. Die Transgender-Lobby vertritt berechtigte Interessen einer bisher diskriminierten Minderheit, schießt aber in ihrem Exhibitionismus oft übers Ziel hinaus, verunsichert und nervt jene Citoyen, die das gemeinsame Ganze durch jedwede Ideologie vom korrekten Leben gefährdet sehen. Eine erste Annäherung an ein komplexes Thema.
Die Regenbogenflagge steht für Vielfalt, Toleranz und Offenheit. „Das ist gut so“, um einen schwulen früheren Regierenden Bürgermeister von Berlin zu zitieren. Das tut auch nicht weh. Darunter kann sich eine Gesellschaft gerne unterhaken. Alles bestens also, gäbe es da nicht eine Transgender-Minderheit von etwa einem Prozent der Bevölkerung, die eine LGBTQI+-Ideologie (Akronym für lesbian, gay, bisexual, transgender, queer und intersexual) ausgerechnet unter dem bunten Schutzschirm dieses Regenbogens radikal vertritt. Die speziellen sexuellen Vorlieben und Identitäten der diversen Community füllen plötzlich den Raum im gesellschaftlichen Alltag. Wer seine Verbundenheit mit den fast schon omnipräsenten Transgender-Themen verweigert, dem drohen Ächtung und Shitstorm, vor allem im Universitätsbetrieb nicht selten auch berufliche Konsequenzen.
Die Aktivisten/-innen der geradezu exhibitionistisch veranlagten Szene gehörten zur Spezies selbsternannter Volkserzieher/-innen, die den Zeitgeist diskriminierend interpretieren und die Nation mit einem neuen und zum Teil einschüchternden Dogmatismus nerven. Dabei ist gar nicht in Abrede zu stellen, dass die Gesellschaft Nachhilfe nötig hat wegen ihres Umgangs mit dem binären Geschlechtersystem sowie der Trans- und Intergeschlechtlichkeit. Deshalb soll das geplante „Selbstbestimmungsgesetz“ (Self-ID-Gesetz) das Recht auf Anderssein regeln, wie auch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf Respekt vor der eigenen Entscheidung für ein anderes als das ursprüngliche Geschlecht – mit der Möglichkeit einer Revision nach einem Jahr. Der Gesetzgeber will Menschen aus einer diskriminierenden Rechtslage befreien, die sie als „krank“ definiert.
Doch geht es in der einer breiten Öffentlichkeit im Namen von Gleichberechtigung und Antirassismus aufgezwungenen Diversity-Debatte längst nicht mehr nur um den individuellen Lebensentwurf einer Person, sondern darum, dass Aktivisten/-innen im Sinne der eigenen Agenda über das in der Bevölkerung so ungeliebte „Gendersprech“ hinaus mit so manchen unnötigen absurden sprachlichen Verrenkungen („gebärender Elternteil, Mensch, der menstruiert“) immer selbstverständlicher an den Grundfesten unserer Gesellschaft rütteln. Schließlich hat der Trans-Zeitgeist weitreichende Konsequenzen in vielen Lebensbereichen. Einige Beispiele:
- Vergewaltiger im Frauengefängnis? Der Kriminalfall Isla Bryson hat im Vereinigten Königreich u einer massiven politischen Auseinandersetzung geführt. Strittig ist die Unterbringung von verurteilten Transfrauen in Frauengefängnissen vor dem Hintergrund des Konfliktes um die schottische Gesetzgebung zur Geschlechtsangleichung. Isla Bryson war für die Vergewaltigung von zwei Frauen verurteilt worden. Zum Zeitpunkt der Taten hatte sie noch eine männliche Identität. Seitdem hat Bryson eine Transition durchlaufen, als Frau müsste sie also in einem Frauengefängnis untergebracht werden. Doch Aktivisten, Politiker und ein Menschenrechtsexperte der Vereinten Nationen hatten Bedenken dagegen geäußert, denen die schottische Regierung letztlich gefolgt war, obwohl die Richtlinien empfiehlt, dass die „die Einrichtungszuweisung normalerweise das neue Geschlecht sein sollte, in dem die Person lebt“. Eine Einzelfallentscheidung ist aber zugelassen.
- Transfrauen im Sport: Ist es fair, künftig Transfauen sportlich gegen Frauen antreten zu lassen? Transfrauen haben einen genetischen Vorteil durch das in der Pubertät produzierte Testosteron. Der wird auch nicht hinfällig durch Östrogene. Und es gibt Sportverbände, die verlangen noch nicht mal, dass Transfrauen Östrogene nehmen. Selbst bei einer noch so kleinen Minderheit, sollten funktionsfähige Männer nicht in Umkleidekabinen für Frauen gelassen werden. Allein die Tatsache, dass das möglich ist, beeinflusst Frauen enorm. Es gibt sogar Frauenhäuser, zu denen solche Personen Zugang haben. Für traumatisierte Frauen ist das unzumutbar.
„Liebe Transgender: Macht euer Ding, lebt euer Leben, aber lasst mir meins!“
Anonym
Ein O-Ton aus dem Netz: „Ich sage Ihnen, warum ich keinen Penissen in Damenumkleidekabinen, bei Frauenwettkämpfen oder in Damen-Gefängnissen begegnen möchte: Ich fühle mich einem biologisch stärkeren Gegenüber in meinem Rückzugsort ausgeliefert. Das Gefühl habe ich aus biologischen Gründen bei Lesben in der Umkleidekabine und auch bei Wettkämpfen nicht. Wir biologischen Frauen können nichts dafür, dass sich Personen in ihren Körpern unwohl fühlen und ich habe nicht vor, dass ich meine Gefühle missachten soll, nur damit andere sich wohlfühlen. Mir ist es auch egal, ob Übergriffe in Umkleidekabinen extrem selten sind: Ich will mich in meinem Schutzraum wohlfühlen und nicht über die Wahrscheinlichkeit eines Übergriffs spekulieren müssen. Liebe Transgender: Macht euer Ding, lebt euer Leben, aber lasst mir meins!“
Auf derlei problematische Begegnungen mit der Transszene darf man hinweisen und ist deshalb nicht gleich transphob. Gleichwohl macht sich das Gefühl breit, dass eine absolute Minderheit unterdrückter oder vermeintlich unterdrückter Personen einer Mehrheit den Mund verbieten will, die sich übrigens gar nicht dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen entgegenstellt, sondern sich vor allem von den rigiden Methoden und dem Begriffs-Terrorismus der Transgender-Lobby abgestoßen fühlt.
Der Diversity-Szene stellt man sich besser nicht in den Weg, sonst erntet man wie die Literaturkritikerin Elke Heidenreich einen Shitstorm, nur weil diese nichts dabei findet, nicht weiße Menschen nach ihrer Herkunft zu fragen. Ähnlich erging es Schriftstellerin J.K. Rowling, als sie anmerkte, dass es für „Menschen, die menstruieren“ doch ein geläufigeres Wort gebe. Es ist Rowlings wohl auch berechtigter Hinweis auf die vielen Frauen – keineswegs nur Feministinnen -, die auf strikter Unterscheidung zwischen biologischem und sozialem Geschlecht beharren. Sie wollen nicht auf einen von jedermann/frau beliebig zu wählenden Status („Self-ID“) zurückgestuft werden und sich weiterhin „Frau“ nennen dürfen und nicht „Person mit Uterus“. Deswegen müssen ja nicht gleich Rowlings Bücher brennen.
Sogar eine Ikone der Frauenbewegung wie Alice Schwarzer fällt schnell mal in Ungnade, weil in ihrem Buch „Transsexualität“ unter anderem der Satz fällt, nur Menschen mit Gebärmutter könnten Frauen sein. Im Buch kritisiert Schwarzer, dass besonders bei Teenagern der Wunsch nach einer Geschlechtsangleichung zu wenig hinterfragt wird und ein Transhype entstanden ist – mit teilweise irreversiblen, schweren Folgen für die Betroffenen. Der Wind, der der Feministin der ersten Stunde aufgrund dieser Haltung entgegenschlägt, ist eisig. Die Shitstorm-Autoren diffamieren damit aber gleichzeitig die Opfer falscher Entscheidungen. Was passiert denn mit jenen, die künftig ja auch ohne jede Beratung eine Geschlechtsangleichung veranlassen können und diesen Akt Jahre später wieder so weit möglich rückgängig machen wollen? Die seelischen Nöte sind vor und nach der Detransition immens, wie die ersten Mutigen unter den Betroffene öffentlich mitteilen.
„Eine Streitschrift“ lautet der Untertitel des Schwarzer-Werkes. Doch statt zu streiten, erklären Transidentitäten die Abwägungsfragen dogmatisch und moralisch zum Tabu. Das ist Diskriminierung und passt in eine Zeit, in der auch auf anderen Gebieten Meinungsschlachten mit diktatorischem Duktus den Meinungsaustausch in der Tradition faktenbasierter, prüfbarer und dann auch praktisch verwertbarer Erkenntnisse abgelöst haben. Hier der Freund, dort der Feind, hier die moralisch legitimierten Guten, dort die fehlbaren Ewiggestrigen. Informationen von außen sind unerwünscht, die Wirklichkeit wird allzu gerne konstruiert. Und als Transmissionsriemen fürs populistische Geschrei dienen vor allem die sozialen Medien.
Und so versucht eine nicht einmal eine Minderheit von einem Prozent der Bevölkerung ihre Sicht der Selbstbestimmung durchzudrücken und die Mehrheit geradezu schablonenartig fremd zu bestimmen. Der Kampf um die Deutungshoheit wird auf allen Ebenen ausgetragen, mit den Anliegen der Szene werden alle konfrontiert, im Kindergarten, in der Schule, an der Universität, am Arbeitsplatz. Wer glaubt, der Hype sei nur ein mit Enddatum versehenes soziopsychologisches Experiment, verkennt die Gefahr der Negierung von allgemeinverbindlich erkannten Tatsachen als Ergebnis rationalen Denkens während des Zeitalters der Aufklärung. Es zeigen sich bereits ideelle Gräben in der Gesellschaft, die nicht mehr überbrückbar scheinen und eine Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetzes verzögert haben.
Wenn das Kita-Kind mal Junge, mal Mädchen ist
Solch ein Konflikt mit Flächenbrandpotenzial ist in einem Kasseler Kindergarten zwischen den Elternvertretern und einer Transmutter ausgebrochen, die sich diskriminiert sieht, weil sie und ihr Kind (4) während der obligaten Eingewöhnungsphase hinausgeworfen wurden. Der Zeitschrift „Cicero“ und ihrem Autor Jens-Peter Paul ist zu verdanken, dass der auch von der Transgender-Lobby gehypte Diskriminierungsvorwurf nicht länger wenig geprüft und unkritisch verbreitet wird. Paul lenkt die Aufmerksamkeit vielmehr auf die Geschichte einer Familie, die ihr Erziehungs- und Lebensmodell unter dem Rubrum „Geschlechtsneutralität“ unter die Leute bringen will. Gerne breiten sie ihre Privatsphäre im Fernsehen aus. In der ARD/ZDF-Sendung Funk bekennen sie sich denn auch zu einer „Art von Aktivismus“, mit dem sie das Geschlechtsoffene „supporten“.
Das hat die Familie offensichtlich auch im Kasseler Kindergarten versucht. Dort wurden die Kinder damit konfrontiert, dass sich der/die Neue jeden Tag von den Eltern dazu aufgefordert sah, sich das passende Geschlecht aussuchen und folglich mal als Junge, mal als Mädchen in der Gruppe auftauchte. Im Kindergarten versuchte die Transmutter dann Aufklärung in ihrem Sinne zu betreiben, indem sie den Kindern aus Szene-Bilderbüchern vorlas und die Bilder verschiedenartiger Genitalien sowie schwangere bärtige Männer zeigte. In der Kündigung des Elternvorstands des privat geführten Kindergartens heißt es wörtlich, dass „nicht behebbare Auffassungsunterschiede“ bestehen würden. Ihre Anwesenheit während der Eingewöhnungsphase habe die Transmutter missbraucht, um den Kindern aus eigenmächtig mitgebrachter, für ihr Alter absolut ungeeigneter Literatur vorzulesen und ihnen Bilder zu zeigen, „die schlicht nicht gehen und jedem modernen pädagogischen Konzept in dieser Phase komplett widersprechen.“
Es soll nicht gleich die Existenz von Transgendern in Abrede gestellt werden, doch muss es erlaubt sein, medizinische und psychologische Aspekte und die Gesundheitsfürsorge von der ebenso schutzbedürftigen Gruppe von Kindern/Jugendlichen zu eruieren, die immer öfter in den Strudel von Transideologen geraten, sobald sie von der Norm abweichen. Der Szene hilft dabei ein Gesetzentwurf, mit dem eine Verweigerung der Geschlechtsoffenheit in der Erziehung zur Regelwidrigkeit und damit zur Ausnahme erklärt wird. Da wird die medizinische Versorgung eines seelischen Problems Einzelner für die Allgemeinheit politisch reguliert.
Fachberatung wird abgeschafft
Manche der den Jugendlichen aufgezeigten Lebensentwürfe sind aber so einschneidend, dass vor ihrer Umsetzung Vor- und Nachteile sorgfältig abgewogen werden müssen. Schließlich wird in einen gesunden Körper für den Rest des Lebens medizinisch und oftmals auch operativ eingegriffen, ja sogar die Fruchtbarkeit zerstört. Fachliche Beratung, wie sie im Gesundheitssektor sonst bis zum Exzess vorgeschrieben ist, soll aber mit dem Selbstbestimmungsgesetz für Personen ab 14 Jahren abgeschafft werden. Es soll ein Sprechakt eingeführt werden. Dabei wird das biologische Geschlecht (sex), irrelevant, es zählt ausschließlich die Selbstdefinition (gendern). Das wird die schon jetzt exorbitant angestiegene Zahl von – überwiegend weiblichen – Jugendlichen, die via Hormone und Chirurgie „transitionieren“, in die Höhe schnellen lassen. Denn Transgender-Lobby und das neue Gesetz befördern den gesellschaftlichen Druck zur Konformität – gerade bei psychisch labilen Jugendlichen. Die Rückmeldungen aus den Schulen unterstreichen diese Entwicklung: Immer mehr Jugendliche bezeichnen sich demnach als non-binär. Was die Forschung als „Kopierbereitschaft“ bezeichnet, heißt gemeinhin Herdentrieb.
Beitragsfoto: Gerd Altmann /pixabay
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