Die Zukunft ist machbar

Ein gutes neues Jahr! Die Floskel sagen wir so dahin, meinen es aber auch so und hoffen insgeheim, dass Erwartungen und Wünsche des Adressaten möglichst oft in Erfüllung gehen. Über die in diesen Neujahrsgrüßen fälschlicherweise als beeinflussbar eingeschätzte Privatsphäre hinausgehend lässt die Zuversicht Ende 2023 für die nächsten 12 Monate aber schnell nach, haben sich die politischen, wirtschaftlichen und klimatischen Großwetterlagen doch gefühlt seit Jahren verschlechtert. Die Krisen kumulieren. 

Über allem droht die aus dem Ruder laufende Erderhitzung. Darauf hat die Welt allen Gipfeln zum Trotz noch keine Antwort gefunden. Gleiches gilt für die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine und in Nahost oder die Ränkespiele um das Pulverfass Taiwan in Fernost. Ausgewachsene Demokratien müssen sich autokratischen und diktatorischen Angriffen erwehren, wiewohl Retroparteien und Rechtspopulisten ohne Programmatik, aber mit verführerischer Polemik erfolgreich Stimmung machen. Von selbst wird das nicht besser werden. Also fällt der Blick auf die handelnden Akteure. Und da wird’s schwarz vor Augen angesichts der Irren, die allerorten an der Macht sind oder demnächst an sie kommen, weil sie mit Repressalien, großspurigen Versprechungen oder Wahlmanipulationen erfolgreich sind.  

Hierzulande verstärkt den Frust die Politik einer Regierungskoalition, die angesichts eines zu oft führungsschwachen und konzeptionslos agierenden Kanzlers oder wegen interner Rangeleien und gescheiterter Haushaltsplanung die Forderung nach Neuwahlen provoziert. Nicht einmal der einzige Ruck, den sich dieses Ampelbündnis zusammen mit Unionsopposition in zugegeben schwierigem Umfeld gegeben hat, zeitigt irgendwelche Konsequenzen. Von der Zeitenwende in der Sicherheitspolitik, mit 100 Milliarden Euro unterfüttert, ist jedenfalls wenig Zählbares für die Bundeswehr herausgesprungen. Vielmehr ahnen alle bis auf jene, die es wissen, dass militärisch garantierte Sicherheit nur für ein Vielfaches dieses Betrages zu haben sein wird. 

Das allgemeine Unbehagen speist sich aus dem gebrauchten Jahr 2023, dem Gefühl der Machtlosigkeit in Anbetracht von Krieg, Leid, Katastrophen und Naturzerstörung. Und trotzdem gibt’s sie noch, die zarten Pflänzchen der Zuversicht. Sie sollen nach jüngsten Umfragen sogar zuletzt gewachsen sein, obwohl der Politik nach wie vor historisch schlechte Noten vergeben werden. Die Ampel gewinnt ja auch kein Vertrauen zurück, nur weil im Jahreswechsel der Zauber eines möglichen Neubeginns liegt. Dieser Art von Selbstbetrug kennen wir alle, wenn wir unsere guten Vorsätze vom Silvesterabend im Laufe des Jahres überprüfen. Chancen zur Neuorientierung ergeben sich auch während des Jahres, dafür bedarf es keines Feuerwerks am nächtlichen Himmel. 

Und dennoch ist zu jeder Jahreswende durchaus eine Portion Optimismus angebracht, gerade bei uns in Deutschland, wo Verdruss, Hysterie und depressive Grundstimmung ihre Heimat zu haben scheinen. Wir haben gelernt, mit einer anfangs tödlichen Pandemie umzugehen. Der Standort D scheint so schlecht nicht zu sein, macht sich unsere Volkswirtschaft doch gerade auf zum Sprung auf Platz drei im Weltmaßstab. Die Teuerungsrate gleitet in eine moderate Zone. Allen politischen Salti um Energiegesetze und Heizungsvorgaben zum Trotz frieren wir nicht, steht ausreichend Gas zur Verfügung, sind die Preise eingefangen, ist die drohende Energiekrise abgewendet. Der Anteil des erneuerbaren Stroms ist erstmals auf mehr als 50 Prozent gestiegen. Eine geringe Arbeitslosigkeit korrespondiert mit einem riesigen Stellenangebot. Mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz können dringend benötigte Arbeitskräfte schneller integriert werden. Vor allem die vermögenden Deutschen häufen immer mehr Vermögen an, aber auch der Mittelstand ist im Alltag immer noch so gut bei Kasse, dass er sich regelmäßig sündhaft teure Autos neu leisten kann. Die Bauern fahren nahezu alle auf Traktoren zur Demo, in die sie gut und gerne mehrere Hunderttausend Euro investiert haben. Statt wütend gegen den Wegfall der Subvention des Dieselkraftstoffs zu protestieren, könnten sie durchaus auch zufrieden auf ein lukratives Geschäftsjahr mit einem um durchschnittlich 45 Prozent verbesserten Ergebnis blicken. Man hat sich eben an die öffentliche Unterstützung des landwirtschaftlichen Geschäftsmodells gewöhnt. 

Unterm Strich geht´s uns gut, was auch jenen einleuchten müsste, die der hier willkürlich gewählten Auswahl positiver Entwicklungen natürlich auch jene Punkte entgegenhalten können, mit denen ein Teil des Besitzstands verloren geht. Doch was ist diese Bürde im Vergleich zu den Lasten, die Menschen in den Kriegs- und Unglücksgebieten dieser Welt zu tragen haben? Selbst der Klimawandel schlägt in unseren Breiten nicht so erbarmungslos zu, wie in vielen Gebieten der restlichen Welt. Die Verhältnisse, in denen wir leben, würden zwei Drittel der Menschheit gerne eintauschen. 

Beim Kampf gegen die Klimakrise will die Welt jetzt zusammenarbeiten. Erst jüngst haben fast 200 Regierungen erstmals vereinbart, sich von der Verbrennung fossiler Energieträger abwenden zu wollen. Immerhin. Letztlich ist Papier aber geduldig. Wichtiger fürs Klima ist aber die aktive Arbeit von tausenden Forschern und Start-up-Unternehmen, die zum Teil schon erstaunliche Fortschritte präsentieren können und dabei die energetischen, ökologischen, ethischen Konsequenzen ihrer Arbeit bedacht haben. Alle Welt hat inzwischen kapiert, dass Ökonomie und Ökologie versöhnt werden müssen und startet den Umbau der Gesellschaften, um die Klimaziele zu erreichen. 

Letztlich sollten die aus der Menschheitsgeschichte bekannten möglichen Zufälle und epochalen Umbrüche bis hin zu Disruptionen nicht unterschätzt werden. Wer weiß heute schon, was mit Künstlicher Intelligenz an stürmischer Entwicklung und grundlegender Veränderung möglich wird? Nicht wenige erwarten, dass KI aller Wahrscheinlichkeit nach eine multiple industrielle Revolution einläutet, in der Lösungen für Probleme liegen, die bisher unlösbar schienen.

Genug gejammert, Aufbruch ist angesagt, der Planet muss nicht untergehen. Auch wenn es sich im Umfeld von Kriegen, Natur- und Umweltkatastrophen sowie völlig verpeilten Staatenlenkern merkwürdig liest: Es gibt jede Menge Chancen für eine bessere Welt. Wir müssen sie nur ergreifen. Das wird in eine Welt der Tabubrüche führen und deshalb auch Opferbereitschaft erfordern. Und doch ist es eine frohe Botschaft…

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