Das wird nichts mit Kanzler

„Si tacuisses, philosophus mansisses.“ – „Wenn du geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben.“ Der Spruch geht auf den spätrömischen Gelehrten Boëthius zurück und wird immer wieder gerne bemüht, wenn sich Politiker ins Abseits oder gar um ihr Amt reden. Aktuell plappert sich der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, der alsbald Kanzler werden will, um Kopf und Kragen – wieder einmal, muss es ehrlicherweise heißen. Denn der Sauerländer, der sich gesellschaftspolitisch bei den Themen Arbeitsmoral (allgemein, Arbeitslose, Kurzarbeiter und Lehrer im Besonderen) oder Homosexualität schon öfter von gestern präsentierte, befindet sich zuletzt mit der im AfD-Stil demagogisch vorgetragenen  Deutschen-Benachteiligung gegenüber Flüchtlingen mit Halb- und Unwahrheiten auf strammem Rechtskurs. Merz spaltet mit seinem Gekeife Partei und Nation. Die Zeitläufte verlangen aber eher nach einem Deeskalierer und Brückenbauer.

CDU-Vorsitzender Friedrich Merz treibt einen Spaltpilz auch in seine Partei. Foto: Timo Klostermeier / pixelio.de

Mit dem Satz „Nicht Kreuzberg, Gillamoos ist Deutschland“ hat Merz erst im Sommer großen Unmut ausgelöst, und das nicht nur in dem Berliner Bezirk. Denn die bierselige Botschaft vom Jahrmarkt vor den Toren Abensbergs lautet: Merz sagt Kreuzberg, meint aber alle Orte mit Vielfalt. Damit spaltet er aus Kalkül die Gesellschaft, will er doch bei potenziellen AfD-Wählern Stimmen fischen.  

In der ZDF-Sendung „Lanz“ spricht Merz von Söhnen arabischstämmiger Migranten als „kleinen Paschas“. Kritik daran, dass er von einer Minderheit auf Menschen mit arabischen Wurzel verallgemeinert,  lässt ihn kalt. Er habe vielmehr „unerwartete Zustimmung bekommen“ und sieht sich als Initiator einer „notwendigen Diskussion“.

Auf diesem Niveau wird Merz auch von einigen Parteifreunden in der aktuellen Dental-Affäre gestützt, nach dem Motto: „Merz spricht nur aus, was Menschen auf der Straße sprechen“. Klar, der Vorsitzende der CDU richtet sich nach der Stimmung an Stammtisch und im Bierzelt. Das ist der Versuch des Stimmenfangs in Rattenfängermanier, wiewohl diese bewusste Entgleisungs-Strategie bis hin zur Selbsternennung als „Alternative mit Substanz“ und der Benennung der Grünen als „Hauptgegner“ im Desaster enden dürfte. Denn besser als Merz macht niemand Werbung für die Rechtsaußen, weshalb die Stimmen der von ihm mit AfD-Triggern umworbenen Wähler zum größten Teil eben bei den Blauen landen dürften. Ein Spiegel-Leser bringt es plakativ auf den Punkt: „Die wählen lieber den Original-Bernd und nicht den Papageien-Fritz.“ 

Vorgabe des Verfassungsgerichts

Ein Jahr nachdem er ukrainischen Geflüchteten „Sozialtourismus“ unterstellte, bedient der Sauerländer wieder einmal das Narrativ, dass die Deutschen von skrupellosen Eindringlingen um ihren verdienten Wohlstand gebracht werden. Dabei schimpft er über abgelehnte Asylbewerber, die sich die Zähne neu machen ließen, während „die deutschen Bürger „nebendran“ keine Termine bekämen. Dass dieser Aussage jegliche Grundlage fehlt, ficht Merz nicht an. Kritik – auch aus den eigenen Reihen – verbucht er unter der Rubrik „Schnappatmung“. Die kommt in der Tat auf, wenn man sich Merz als Kanzlerkandidat der CDU vorstellt. 

Dass Asylbewerber nach 18 Monaten Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch  erhalten, ist keine links-grüne Wohltat, sondern musste von der Regierung Merkel eingeführt werden. Das Verfassungsgericht hatte Mitte 2012 entschieden, dass die langfristige Beschränkung – damals vier Jahre – auf nur die Leistungen nach dem § 3 Asylbewerberleistungsgesetz  „menschenunwürdig“‘ und damit verfassungswidrig ist. Merz kritisiert also einen – vermeintlichen – Missstand, der auf einer gesetzlichen Regelung beruht, die die Regierung Merkel eingeführt hat, um Asylbewerber das verfassungsgemäße Minimum der Existenzsicherung zukommen zu lassen.

Merz spaltet mit seiner Art nicht nur seine Partei, er spaltet auch die Nation. Das disqualifiziert ihn für die von ihm doch so ersehnte Kandidatur fürs Kanzleramt. Keine guten Argumente fürs Spitzenamt in einer Regierung hat er auch wegen seiner äußerst schwachen Performance als Oppositionsführer, was auch mit dem personellen Wechsel auf dem Generalsekretärsposten von Mario Czaja zu Carsten Linnemann nicht zu übertünchen ist. 

Merz ist destruktiv unterwegs 

Der CDU-Vorsitzende wirkt überfordert, sobald er Strategien über das Parteiprogramm hinaus entwickeln muss. Weil ihm das politische Gespür fehlt, ergeht er sich zu oft in der laienhaften Abarbeitung von Ausländerfragen, wobei er sich zumeist in Ressentiments verliert. In der Folge muss er nicht selten seine Aussagen mit dem Hinweis wieder einkassieren, er sei nur falsch verstanden worden. Inzwischen sind Merz´ Reaktionen vorhersehbar, seine destruktive Grundausrichtung verhindert eine temperamentvolle Werbung für die anstehenden Aufgaben, wiewohl es an realitätsnahen konstruktiven Vorschlägen ohnehin mangelt. Nicht zuletzt fehlen Merz Gespür und Kraft zur Integration, das spüren offenbar auch immer mehr CDU-Mitglieder. Schon wird kolportiert, dass es einsam um Merz werde.

Ein Oppositionsführer darf, soll und muss die Regierung kritisieren. Nur macht das Merz selten konstruktiv und zu oft in einer Art und Weise, bei der er die Übereinkunft demokratischer Parteien verrät. Wer Sorgen, vielleicht auch Wut adressiert, muss bei der Vorstellung der eigenen Position unbedingt den Unterschied zur AfD-Demagogie herausstellen. So wie Merz aber voller Überzeugung Oppositionsarbeit versteht, führt er seine Partei ohne große Umwege in die Arme der Rechtsaußen. Weit hergeholt ist das nicht, schließlich profitiert die CDU kaum von den immer neuen Umfragetiefs der Ampel-Regierung in Berlin, die AfD aber schon. Übrigens: Die CDU wäre nicht die erste Partei, die von dem Populismus, den sie bewirtschaften will, am Ende übernommen, gespalten oder zur Bedeutungslosigkeit verdammt wird. Die Beispiele bei den französischen und italienischen Nachbarn sind noch frisch in Erinnerung und sollten als warnendes Beispiel dienen. 

Auf dem Weg in die Sackgasse

Friedrich Merz und sein General Carsten Linnemann sowie die Adjutanten Thorsten Frey und Jens Spahn lassen parteipolitisch Weitsicht vermissen, blenden sie doch die möglichen Folgen ihrer aktuellen Giftspritzen-Politik aus. So sind sie vom AfD-Duktus nicht so sehr abgeschreckt, als dass sie nicht im blauen Becken nach populistischen Positionen fischen und dabei so en passant  auch Ressentiments bedienen wollen. Besonders klug ist das nicht. Erstens, weil, wie schon erwähnt, das Original AfD von einer solchen Strategie profitiert. Und zweitens, weil sie die eigene Partei nach den wütenden Attacken gegen Grüne und Linke damit überfordern, im Fall des Falles mit eben diesen „Hauptgegnern“ eine Koalition gegen die AfD zu schmieden. Die Alternative zur Alternative möchte man sich lieber nicht ausmalen: Dann würden die attackierten Parteien zur Regierungsbildung gar nicht gebraucht. Mit dieser Führungsriege kann man sich doch nicht mehr sicher sein, dass Deutschland ein Rechtsstaat bleibt, wenn die Union nur mithilfe der AfD an die Macht kommen kann.

Die CDU-Basis kann den Kurs freilich noch korrigieren, indem sie den Kandidaten mit dessen qua Amt natürlicher Anwartschaft scheitern lässt. Merz ist allgemein recht unbeliebt, wenig konstruktiv, wenig staatsmännisch, wenig souverän, noch weniger integrativ, unberechenbar und neigt zu verbalen Entgleisungen – und es gibt Alternativen. Wenn das keine guten Argumente für einen Schwenk sind.   


Zum Schluss kurz zu den Fakten: 

Friedrich Merz zu Ausreisepflichtigen: „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.“ 

Einen teuren Zahnersatz erhalten Ausreisepflichtige jedenfalls nicht einfach so. Man muss zudem auf den Rechtsstatus der Betroffenen achten – denn viele Menschen sind zwar auf dem Papier ausreisepflichtig, weil ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Sie werden aber geduldet und können gar nicht abgeschoben werden. Generell waren im vergangenen Jahr laut Ausländerzentralregister 304.308 Personen ausreisepflichtig, 248.145 davon waren geduldet. 

Grundsätzlich werden die Leistungen aus der gesundheitlichen Versorgung für Asylbewerber nach dem Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. Und es greift auch für Geduldete. Diese Menschen erhalten also eine medizinische Versorgung, alles andere würde auch den Menschenrechten widersprechen. 

Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer, betont, dass Zahnärztinnen und Zahnärzte Geflüchtete nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nur zur Behandlung akuter Schmerzen oder akuter Erkrankungen die erforderlichen Leistungen gewähren dürften. „Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies unaufschiebbar wäre.“ Es handelt sich daher um absolute Notfälle.

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