Mehr Patriotismus wagen?

Ab und an wird auf dem Reichstagsgebäude die „Regenbogenfahne“ als Zeichen von Toleranz und Vielfalt anstelle der Deutschlandfahne gehisst. Regenbogenfarben scheinen jedoch aus der Mode zu kommen. Zumindest für die Union. Denn CDU und CSU möchten mehr Schwarz-Rot-Gold im öffentlichen Raum: Offiziell als Ergebnis ihrer Suche nach Innovationen, aber wohl eher als Antwort auf die guten Umfrageergebnisse der AfD strebt die Union ein Patriotismus-Programm an, um nationale Symbole zu fördern. Das solle auch helfen, in Ostdeutschland eine „Schwachstelle der Wiedervereinigung“ zu beheben, heißt es. 

Auf solch einen Unsinn muss man erst einmal kommen. Der Diktion nach ist diese aufgrund von Wahrnehmungsstörungen fortgesetzte Arroganz der Besserwisserei Wasser auf die Mühlen der AfD. Dass dieses Land weiter zusammenwachsen kann und muss, zeigt die Ungleichbehandlung zwischen den neuen und den alten Ländern. Deutschland wird künstlich auseinanderdividiert. Gleiche Tarifverträge, gleiche Renten, gleiche Erhöhungen wären darauf eine Antwort, nicht das Wedeln mit der Deutschlandfahne in Bundesländern, in denen immer weniger Bürger daran Anstoß nehmen, dass öffentliche Veranstaltungen mit schwarz-weiß-roten Reichsflaggen ausgestattet werden.

Der Unionsantrag trägt die Überschrift „Verfassung und Patriotismus als verbindendes Band stärken – Tag des Grundgesetzes am 23. Mai als Gedenktag aufwerten“. So soll „die ganzjährige Sichtbarkeit nationaler Symbole – insbesondere der Bundesflagge – im öffentlichen Raum“ erhöht und dafür gesorgt werden, „dass die Nationalhymne häufiger bei öffentlichen Anlässen gesungen und weiter als fester Bestandteil des deutschen Liedguts gepflegt wird“. Die Patriotismus-Initiative soll Teil der konservativen Neuausrichtung der Partei weg vom merkelschen Linksruck sein, was jedoch wenig glaubhaft ist, wenn die Altkanzlerin für ihr Wirken zugleich mit Auszeichnungen im Dutzend geehrt wird.

Als Initiator dieses Patriotismus-Programms „Kostet nichts und bringt nichts“ schiebt die Unionsspitze ausgerechnet Philipp Amthor vor, der auch schon angesichts bisheriger mit seinem Namen verbundener Initiativen konsequent am realen Leben vorbeigeschrammt sein muss. Nun schwingt er also die Fähnchen in vaterländischer Gesinnung gegen die innere Fahnenflucht der Deutschen vor Gemeinschaft und Solidarität. 

Frei nach Willy Brandt will die Union nun also mehr Patriotismus wagen. Doch Willy musste die Demokratie nicht verordnen… Zu einer solchen Schwarz-Rot-Gold-Vorgabe entschließt man sich nur, wenn man sonst keine Lösungsansätze hat auf die Fragen unserer Zeit. Antworten auf globale Herausforderungen hat die Union nicht, dann spielt sie eben die nationale Karte. Erbärmlich. Und: Mit verordnetem Patriotismus hat Deutschland doch wohl keine gute Erfahrungen gemacht. 

Außerdem: Welche Partei hat während der von ihr initiierten Leitkulturdebatten betont, „Verfassungspatriotismus“ sei nicht ausreichend – Stichwort „Wir sind nicht Burka“… Die CDU redet über „Symbole und Rituale“ um gerade nicht über kulturelle, historische und sprachliche Identität reden zu müssen. Gerade die letztere macht eine Nation aber aus. „Symbole und Rituale“ sind dagegen nur äußerlich. Wäre es nicht identitätsstiftender, wenn Deutschland bei erneuerbarer Technologie und Energiewende, Mobilität und mit modernem Einwanderungsrecht und einem zeitgemäßen Bildungswesen vorangehen würde? Und was kommt von der CDU? Ein Stück Stoff und die Rückbesinnung auf deutsches Liedgut!

Frank Pröse

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