Wenn man den Umfragen zur bevorstehenden Hessenwahl Glauben schenkt, dann wird Nancy Faeser ihr Ziel weit verfehlen, erste Ministerpräsidenten in Hessen zu werden. Nach aktuellen Umfragen ist eine Regierung nur unter Führung der CDU möglich. Der Bundesinnenministerin mit dem weitaus höheren Bekanntheitsgrad im Vergleich zu dem amtierenden Ministerpräsidenten Boris Rhein ist es nicht gelungen, ihre Partei weiter vorne zu platzieren, weil der Wahlkampf nicht von Hessen-Themen beherrscht wird, sondern fast ausschließlich vom Pleiten-Pech-und-Pannenwahlkampf der SPD, in deren Mittelpunkt eine inzwischen arg gebeutelte Nancy Faeser steht. Derweil kann sich der hessische Ministerpräsident Boris Rhein ganz entspannt zurücklehnen. Es scheint völlig auszureichen, wenn er bei Wahlkampfterminen mit einem freundlichen Lächeln Hände schüttelt.
Die Liste der Pannen der SPD im Verlaufe dieses Wahlkampfjahres ist inzwischen lang und beherrscht bundesweit die Schlagzeilen. Dabei hatte es eigentlich ganz gut begonnen, als Nancy Faser gemeinsam mit den beiden Ministerpräsidentinnen Anke Rehlinger und Malu Dreyer Anfang des Jahres erklärte: „Ich will erste hessische Ministerpräsidentin werden“! Das war mal eine klare Ansage, die für eine gewisse Aufbruchstimmung bei den Genossinnen und Genossen sorgte. Zwar folgte sogleich die Diskussion um ihre Ankündigung, für den Fall, dass es doch nix werden sollte mit dem Amt der Ministerpräsidentin, in Berlin bleiben zu wollen und ihr Amt als Bundesinnenministerin fortzuführen nach dem Motto: Oppositionsführerin war ich schon! Die Opposition tobte zwar daraufhin und erklärte, dass das Amt der Bundesinnenministerin keine Doppelrolle vertrage, jedenfalls nicht in diesen schwierigen Zeiten. Es wurden gar Forderungen nach einem sofortigen Rücktritt erhoben und der innenpolitische Sprecher der CDU warf Faeser gar vor, ihren Amtseid zu brechen. Aber diese Diskussion war eher ein „Sturm im Wasserglas“ und verebbte relativ schnell.
Listenplatz 14 für Marius Weiß
Dann allerdings folgte der unsägliche Fall des stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Marius Weiß. Wie bereits mehrfach von Bloghaus.eu berichtet, hatte Weiß für seine Frau, die als Justitiarin bei der Landtagsfraktion der SPD tätig ist und während der Plenarwochen nicht im Parkhaus des hessischen Landtags parken durfte, seinen Parkausweis kopiert und laminiert, um diese Fälschung seiner Frau zur Verfügung zu stellen, damit sie trotz des Verbots auf dem Gelände des Landtags parken konnte. Deshalb wurde gegen Weiß wegen des Verdachts der Urkundenfälschung ermittelt. Die Ermittlungen zogen sich mehrere Monate hin, bis er schließlich im August vom Amtsgericht Wiesbaden wegen Urkundenfälschung zu 80 Tagessätzen verurteilt wurde. Diesen Strafbefehl akzeptierte Weiß nach übereinstimmenden Presseberichten „schweren Herzens“! Zwischendurch entschuldigte er sich zwar mit den zweifelhaften Worten, dass er als „Mensch einen Fehler begangen habe“ und trat auch eher widerwillig vom Vorsitz des sensiblen Hanauer Untersuchungsausschusses zurück. Gleichwohl erhielt auf dem Landesparteitag der SPD im Juni in Hanau den sicheren Listenplatz 14!
Von Nancy Faeser war während dieser Affäre keine klare Stellungnahme zu vernehmen. Gegenüber der FAZ erklärte sie lediglich, dass Weiß einen Fehler gemacht und eingeräumt habe. Im Übrigen verwies Faeser auf die Unschuldsvermutung, die auch für Weiß gelte.
Diese sicher mehr als formale Stellungnahme, traf den Kern der Sache in keiner Weise, denn in dieser Affäre ging es um sehr viel mehr, als nur um das Verhalten eines gewählten Abgeordneten, es ging schlicht um die politische Hygiene der Partei. Und hier wären klare und eindeutige Worte der Spitzenkandidatin hilfreich gewesen. Kein Wunder also, wenn die Bevölkerung den Wahlkampfslogan der SPD „Die besten Kräfte für Hessen“ mit dem Verweis auf Weiß in Zweifel zieht.
Keine Strategie zur Flüchtlingspolitik
Als weiterer riesiger Stolperstein für Nancy Faser erweist sich während dieses laufenden Wahlkampfs das Thema „Flüchtlingspolitik, das alle Versuche der Spitzenkandidatin, mit hessischen Sachthemen durchzudringen, überlagerte. Aber dies war vorhersehbar und da muss schon die Frage erlaubt sein, warum auch die SPD im Bund hier keine Strategie entworfen hat, um diese Diskussion einigermaßen in geordnete Bahnen zu halten! Zwar hat sich der amtierende hessische Ministerpräsident Boris Rhein an sein Versprechen gehalten, dieses Thema nicht zu Wahlkampfzwecken zu nutzen, weil es viel zu komplex, zu gefährlich und viel zu wichtig sei. Doch haben diese Aufgabe CDU und CSU im Bund übernommen.
Und so ist es nicht verwunderlich, wenn aktuell die Opposition im Deutschen Bundestag zur Frage, ob Deutschland an seinen Grenzen härter gegen Flüchtlinge vorgehen muss, Innenministerin Faeser hart kritisiert und der CSU Politiker Dobrindt ihr gar vorwarf, dass „sie das trojanische Pferd zur Verstärkung der Migrationskrise“ sei und Schuld daran trage, dass in Europa keine gemeinsame Lösung gefunden werde. Und da hilft es vermutlich auch wenig, wenn der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil den Kritikern der Migrationspolitik der Bundesregierung „Populismus“ vorwirft und sicher auch zu Recht darauf verweist, dass es gegen irreguläre Migration „keine Patentlösungen“ gäbe.
Die Menschen im Lande sind in dieser Frage emotional aufgewühlt und kommunale Vertreter, wie beispielsweise der Landrat des Main-Kinzig-Kreises und Parteifreund von Faeser schreiben einen Brandbrief nach dem anderen an Bundeskanzler Scholz und warnen vor der zunehmenden, auch finanziellen, Überlastung.
Bis Ende August registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Plus von Erstanträgen auf Asyl von 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und so ist es nicht verwunderlich, dass eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa für „Bild am Sonntag“ ergab, dass 51 Prozent der Befragten verlangten, dass die Bundesregierung für die Steuerung und Begrenzung der Migration sorgen müsse. Im Dezember waren es noch 33 Prozent.
„Fies, fieser, Faeser“
Und auch die Causa Arne Schönbohn, der frühere Präsident des Bundesamts für Sicherheit und Informationstechnik, dem die Innenministerin Mitte Oktober 2022 die Führung der Dienstgeschäfte untersagt hatte, setzt Nancy Faeser arg zu. So titelte beispielsweise „Focus online“ eine entsprechende Kolumne von Jan Fleischhauer mit: „Fies, fieser, Faeser: Richtig Mobbing lernen mit unserer Innenministerin“! Und natürlich geht diese Kolumne arg unter die Gürtellinie. Gleichwohl darf man festhalten, dass die Innenministerin diese Personalie etwas sensibler und geschickter hätte handhaben können, denn die Umsetzung auch eines Spitzenbeamten, der kein politischer Beamter ist, ist beamtenrechtlich durchaus möglich und wurde und wird, gerade bei der Neubesetzung von Ministerposten, immer wieder praktiziert. Aber in der Regel verlaufen solche Maßnahmen eher geräuschlos und enden nicht so chaotisch wie in diesem Fall, der in den letzten Tagen die Schlagzeilen beherrschte und zunehmend zum Wahlkampf-Problem für Nancy Faeser wird. Insbesondere, nachdem der von ihr auf ein statusrechtlich gleichwertiges Amt umgesetzte Schönbohn nunmehr seine Dienstherrin auf Schadensersatz verklagt, weil seine Ministerin seiner Reputation geschadet habe.
Hintergrund der Untersagung des Führens der Dienstgeschäfte und der anschließenden Umsetzung war, dass der ZDF-Satiriker Böhmermann in einer Sendung den BSI-Präsidenten als Gefahr für die Cybersicherheit Deutschlands bezeichnet hatte, ohne dafür einen konkreten Beleg zu liefern. Nach dieser Sendung hielt die Hausspitze des Bundesinnenministeriums Schönbohn für nicht mehr tragbar. Es folgte eine wenig professionelle Umsetzungsaktion, im Verlaufe derer Nancy Faeser nach Anhaltspunkten für ein Fehlverhalten Schönbohms suchen ließ. Am Ende ließen sich keine relevanten Indizien für ein Fehlverhalten des Beamten finden. Die Opposition griff diesen Fall natürlich auf und Nancy Faeser sollte sich im Innenausschuss zu dem Fall äußern, was sie zunächst mit Hinweis auf eine Erkrankung nicht tat. Auch dieses Verhalten der Innenministerin kritisierte die Opposition und stieß auch in der Presse eher auf Unverständnis.
Fallstricke der Bundespolitik
Und zum guten Schluss die Panne mit dem „redaktionellen Versehen“ im Wahlprogramm der SPD, in dem es heißt, dass die „SPD Hessen ein kommunales Wahlrecht für ausländische Bürger bereits nach sechs Monaten will“. Niemand bei der SPD merkte offenbar, dass aus den eigentlich gemeinten „Jahren“ „Monate“ wurden.
So wird der hessische Wahlkampf eher von bundespolitischen Themen beherrscht, die im Deutschen Bundestag ausgetragen werden. Und es hat deshalb den Anschein, dass Nancy Faeser und der hessische Landesverband vielleicht doch die Fallstricke der Bundespolitik unterschätzt haben, denen eine Bundesinnenministerin im Vergleich zu manch anderem Ressort in besonderer Weise ausgesetzt ist.
Für die Wähler in Hessen mag es bedauerlich sein, dass praktisch kein landespolitisches Thema greift, denn hier gäbe es sicher genügend Zündstoff: Sei es bei Fragen der Bildungspolitik, dem öffentlichen Nahverkehr oder dem anhaltenden Wohnungsmangel insbesondere in der Rhein-Main-Region. Es gibt praktisch keine wahrnehmbare Auseinandersetzung mit der Leistungsbilanz von fünf Jahren schwarz-grüner Regierung. Ein müder Wahlkampf, der eher vor sich hindümpelt. Spannend, auch und gerade für die CDU, dürfte daher die Höhe der Wahlbeteiligung sein, die Frage, ob ihr ein Wahlergebnis gelingt, das eine Regierung ohne die CDU praktisch unmöglich macht. Und die SPD? Sie kann eigentlich nur noch hoffen, dass die CDU sie statt den Grünen ins Regierungsboot aufnimmt.
Und Nancy Faeser? So oder so: Ihre Koffer bleiben wohl in Berlin. Für die hessischen Sozialdemokraten wäre dies dann auch die Chance, endlich den längst fälligen Führungswechsel vorzunehmen.
Titelbild: Bettina-Heiroth / pixelio.de
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Hallo Herr Albrecht,
unter der Gürtellinie war nicht die Kolumne von Herrn Fleischhauer, sondern das Verhalten von Nancy Faeser in der Causa Schönbohm. Des Weiteren möchte ich anmerken, dass ein Wahlrecht für Ausländer – sofern nicht EU-Ausländer – schlicht und ergreifend verfassungswidrig ist, mal egal ob nach 6 Monaten oder 6 Jahren. Das könnte eine Ministerin, die unter anderem für den Verfassungsschutz zuständig und dazu noch Juristin ist, wissen.
Vielleicht stehen Ihre Koffer demnächst ja ganz woanders.
Bezüglich der SPD Ministerpräsidentinnen kann man eventuell noch anmerken, dass Quote nichts anderes ist als Diskriminierung von Kompetenz