Im Bemühen, das veraltete Transsexuellengesetz zu modernisieren, hat sich die Koalition auf dem Terrain der Geschlechtsidentität verrannt. Letztlich ist es sogar fraglich, ob der ersehnte Zugewinn an Menschenwürde auf dem eingeschlagenen Weg überhaupt zu erreichen ist. Der jetzt überarbeitete Entwurf für das der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung tragende Selbstbestimmungsgesetz strotzt vor juristischen Fallstricken und nimmt die Gesellschaft im Umfeld einer erleichterten Geschlechtsumwandlung in Geiselhaft. Denn wer sich in den Untiefen des komplexen Transgender-Themas verheddert, dem können schon mal Strafen im fünfstelligen Bereich drohen.
Apropos Drohungen: Die gehören überproportional zum Begleittext der Vorlage. So kann beispielsweise dem getrenntlebenden oder geschiedenen Elternteil, das sich dem vom Kind gewünschten Geschlechts- oder Namenswechsel aus welchen Gründen auch immer widersetzt, das Sorgerecht aberkannt werden.
Im Begleittext zum Entwurf stellt das Justizministerium zum sogenannten Offenbarungsverbot klar, dass niemand etwas offenbaren kann, wenn es sich um eine bereits bekannte Tatsache handelt. Wenn Hans ab heute als Frau gesehen werden möchte, aber alle in seinem Umfeld eben wissen, dass es sich zuvor um einen Mann handelte, soll danach niemand eine Bestrafung zu befürchten haben.
Eine Ausnahme vom Offenbarungsverbot gilt für Ehegatten und Verwandte in gerader Linie der Betroffenen. Diese bekommen eine eigene Ausnahme vom Offenbarungsverbot, müssen also zum Beispiel von ihrem Mann/Sohn nicht als ihrer Frau/Tochter reden. Das gilt nicht für Geschwister, sonstige Verwandte, Freunde und Bekannte. Diese müssen ihre auch historischen Begegnungen und Erlebnisse mit dem Antragsteller gegenüber Dritten auf die mit Hilfe des Gesetzgebers neu konstruierte Wirklichkeit abstellen, um ein Bußgeld im potenziell fünfstelligen Bereich sicher zu vermeiden, weil sich der der/die Betroffene ja sonst bei der Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit gekränkt fühlen könnte.
Der Bußgeldtatbestand wird allerdings durch das Erfordernis einer Schädigungsabsicht eingeschränkt, was das beiläufige Gespräch weniger problematisch macht. Was passiert jedoch, wenn sich beispielsweise ein Trainer schützend vor seine Damenmannschaft stellt und Marlene, die gestern noch Jochen hieß, die Teilnahme an Training und Spielbetrieb verweigert? Oder: Kann die Saunabetreiberin in solchen Fällen zum Schutz der Intimsphäre ihrer Kundinnen noch ungestraft von ihrem Hausrecht Gebrauch machen? In beiden Fällen drohen Klagen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, was der Justizminister zwar verhindern will, was aber im Detail juristisch anspruchsvoll und wegen der zum Teil realitätsfernen Ansprüche der Transgender-Lobby zusätzlich problematisch ist.
Im Kern geht es im neuen Gesetz um Regelungen für die selbstbestimmte Änderung eines Eintrags in einem staatlichen Register. Wenig spektakulär, sollte man meinen. Doch weit gefehlt. Denn mit den Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen werden auch Statistiken unbrauchbar, die männliche und weibliche Daten ins Verhältnis setzen. In Medizin und Forschung kann das den Erkenntnisgewinn schmälern. Schlimmer aber ist, dass der Gesetzgeber der Bevölkerung den erstrebten Zugewinn an Selbstbestimmung und Menschenwürde nicht zu vermitteln vermag, auch weil die schrillen Forderungen der Grünen und der Transgender-Lobby das Verhältnis zwischen Bürgern und Staat in dieser Frage belasten. Wenn unter dem Rubrum Geschlechtsidentität Namen und Geschlecht nach Belieben austauschbar werden, sorgt das jenseits der im Vergleich doch kleinen Transgenderlobby für allgemeine Verunsicherung, denn schließlich werden bisher verlässliche Leitplanken für diese Gesellschaft entfernt. Letztlich spielt das der AfD in die Karten…