Nur Frauen im Boot

Im hessischen Landtagswahlkampf hat die SPD mit einer unkonventionellen Bitte überrascht. Nach Vorstellung der Partei sollten an der Pressekonferenz nach einer gemeinsamen Main-Schifffahrt der drei Ministerpräsidentinnen Malu Dreyer, Anke Rehlinger und Manuela Schwesig (alle SPD) mit der hessischen Spitzenkandidatin der Partei, Bundesinnenministerin Nancy Faeser, und weiteren geladenen weiblichen Gästen, möglichst keine Männer teilnehmen. Die hessische Landespressekonferenz (LPK) spricht von einem „Anschlag auf die Pressefreiheit“ und schießt damit über das Ziel hinaus.

Eine Prise Heuchelei, ein bisschen Scheinheiligkeit, dazu ein Touch Pharisäertum plus Theaterdonner: der Blätterwald – gleich ob Boulevard oder Leitmedium – ergötzt sich gerne an Skandalen und Affären, freilich ohne selbst in den Spiegel schauen zu wollen. Finden die Schreiber dann noch ein Opfer, das seine eigene Rutschbahn zentimeterdick mit Schmierseife fettet, nutzen weder Lawinen-Fangzäune noch Bernhardiner. Allenfalls das Fässchen Rum, um den Hals der Hunde verspricht noch Linderung.

Die Absicht der Hessen-SPD, nur Journalistinnen auf das Frauenboot der drei Ministerpräsidentinnen und der SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser lenken zu wollen, war naiv und dumm. Naiv, weil die Organisatorinnen glaubten, die Medien werden Folge leisten; dumm, weil es unmöglich ist, in der heißen Phase eines Wahlkampfs Sinn und Zweck dieses Wunsches, selbst wenn er ehrenhaft wäre, glaubhaft zu kommunizieren. Der Geschmack der Ausgrenzung, vom Mainstream Cancel Culture genannt, bleibt. Dazu offenbart die nett vorgetragene Idee, nur Journalistinnen könnten besonders gut und adäquat über die femininen Konzepte berichten, ein tiefes Missverständnis der SPD über die Aufgabe der Presse. Medien berichten, ordnen ein, kommentieren, kontrollieren: manchmal mehr, manchmal weniger gut. Aber immer für alle Menschen im Land. Noch haben „Frankfurter Rundschau“, „Bild“ oder der „Hessische Rundfunk“ keine eigenen Ausgaben für m/f/d.

Soweit so schlecht. Aber: Sind Bevorzugung und Auswahl von Redakteuren und Berichterstattern für bestimmte Themen im Alltag nicht längst Praxis in der Medienlandschaft von links bis rechts, auch in den Qualitätsmedien, die sich besonders lautstark über dieses Fettnäpfchen der SPD-Kandidatin empören? Es kommt nicht oft vor, dass eine Zeitung einen Feuilleton-Redakteur mit innerem Hang zur Klimaneutralität zum Test des neuen Audi Quattro nach Schweden schickt. Nicht weil der arme Schreiberling überfordert wäre, sondern weil sein Verleger anschließend um einen Anzeigenkunden fürchtet. Reiseveranstalter bauen natürlich langfristige Beziehungen auf, damit ihre Spezies in den Redaktionen nach der nächsten Tour über die glamourösen Highlights auf den Malediven schreiben. Die bevorzugten Pressebänke auf den Bilanzpressekonferenzen der DAX-Unternehmen werden auch nicht per Einladung an die „lieben Kolleginnen und Kollegen“ verteilt. 

Berichterstattung gegen Anzeigen oder Produktionskostenzuschuss: auch die Beilagen der Qualitätszeitungen funktionieren so, und nur so. In meinem Leben vor der Rente als Leiter des Amtes für Öffentlichkeitsarbeit habe ich natürlich im Konvoi mit den Großstädten der Region solche kaum verdeckten Zahlungen für Stadtporträts quer über die Zeitungslandschaft geleistet. Ohne die Gewissensbisse, wenn beispielsweise ein Magazin, das Aushängeschild eines großen Öffentlich-rechtlichen Senders ist, Offenbach als Quasi-Kurort adelte. 

Ja. Es geziemt sich nicht, Medien belehren zu wollen, wer eine gemeinsame Bootstour von Frauen als Redakteur oder Redakteurin besser bewerten kann. Auch aus Respekt vor der Aufgabe der Medien. Aber: Nicht jede Dummheit ist ein Anschlag auf die Pressefreiheit und die Unabhängigkeit von Medien. Ein Blick in den Spiegel hilft. Manchmal wenigstens.

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