Finstere Mächte

Haben Sie zuletzt noch etwas von den Bedrohungslagen führender AfD-Politiker gehört? Letzter Stand am 7. Oktober: Tino Chrupalla wurde angeblich bei einem Wahlkampfauftritt angegriffen und verletzt. So zumindest die AfD. Die Polizei weiß nichts von einem Angriff. Der Einsatz einer Giftspritze, wie in AfD-Kreisen kolportiert, hat sich als Mär erwiesen. Alle bekannten Fakten deuten eher auf einen Kreislaufkollaps hin. 

Nicht auf Wahlkampftour, sondern auf Mallorca im Urlaub, war hingegen Alice Weidel. Offizieller Grund für ihre abgesagten Auftritte: Bedrohungen gegen sie und ihre Angehörigen. Sie mussten nach eigener Aussage vor linker Gewalt vom Schweizer Wohnort flüchten. Die AfD-Freunde in Deutschland strickten derweil die Legende vom Safe House, in die die Schweizer Behörden Weidel & Co. verbracht hätten. 

Nun mag es an den Vorgängen im Nachbarland liegen, dass dem BKA dergleichen nicht bekannt ist. Gleichwohl sind allein aufgrund der allzu fantasievoll gestrickten Geschichten um beide Bedrohungslagen bis zum Beweis des Gegenteils erhebliche Zweifel an den AfD-Erzählungen erlaubt. Der Partei geht es doch einzig um die Aufmerksamkeit, nicht um die Ermittlungsergebnisse. Das beweist doch auch das abebbende Interesse an weiterer Aufklärung, was den Schluss zulässt, dass AfD-nahe Wähler die Märchen von bösen Antifa-Terroristen glauben sollen. Die AfD weiß: Ist die Botschaft erst einmal in der Welt, gibt das der rechten Blase Auftrieb, zumal neue Erkenntnisse ignoriert werden, um den Plot aus dem Hollywood-Blockbuster nicht zu zerstören.  So halten rechte Blätter wie „Compact“ weiter am Giftanschlag auf Chrupalla fest, unterstützt von Foristen , die unverdrossen an ein systemisches Interesse glauben, die tapferen Kämpfer gegen den Untergang des Abendlandes mit allen Mitteln zu verhindern.  

Man mag die hier geäußerten Spekulationen verurteilen. Doch gilt nicht gleiches Recht für alle? Die AfD spekuliert im Netz, muss dann aber auch Mutmaßungen zu ihren Geschichten akzeptieren. Wir lassen uns deshalb mal auf diese AfD-Szenarien ein. Danach hat es jemand aus unbekannten Gründen auf Tino Chrupalla abgesehen. Der Attentäter ist so geschickt, dass er dem Mann selbst von den Personenschützern unbemerkt eine Nadel oder Spritze in den Arm rammen kann. Der Angreifer kennt sich zudem offenbar mit Giftstoffen aus, die sich nach wenigen Stunden nicht nachweisen lassen. Diese Expertise würde einem James Bond zur Ehre gereichen. Letztlich stimmt die Erzählung nicht oder es war doch kein Profi im Auftrag finsterer Mächte am Werk, sonst hätte sich Chrupalla nicht nur ein paar Stunden schlecht fühlt und am nächsten Tag schon wieder das Krankenhaus verlassen.

Merkwürdig, dass es von der Attacke angeblich keine Videos oder Bilder gibt. Denn üblicherweise filmen AfD oder deren Fans jede Katzenkirmes der Partei. Wenn es ein Angriff gegeben hätte, dann gäbe es auch Aufnahmen im Netz. Von verprügelten Migranten kursieren sofort Handy-Videos, von dieser Wahlkampfveranstaltung nicht. Seltsam. 

Der Fall Chrupalla erinnert an die Attacke mit einem „Kantholz“ auf den AfD-Politiker Frank Magnitz in Bremen und angebliche Tritte gegen den Kopf. Das Kantholz hat es nicht gegeben, die Tritte gegen den Kopf auch nicht. Das Zurückrudern der AfD las sich dann so: „Mit dem jetzigen Wissen würden wir die Mitteilung etwas anders formulieren, aber sie entsprach dem Kenntnisstand kurz nach der Tat.“ Der Begriff „Kantholz” sei „von einem der Bauarbeiter genannt worden, der Mann ist aber bisher nicht wieder aufgetaucht.” Die Tat hatte aber zunächst international für Schlagzeilen gesorgt. Die AfD hatte auch Medien und politischen Gegnern eine Mitschuld an dem Vorfall gegeben.

Und die Geschichte um Weidel erinnert doch sehr an das berüchtigte „Kippelgate“ von Vorgängerin Frauke Petry. Damals hat die AfDler ein umgekipptes Saftglas zu einem Säureanschlag aufgebauscht.

Noch Fragen?

„Gefährdungslage“ bei Weidel, „tätlicher Angriff“ auf Chrupalla. Alles am selben Tag und kurz vor den Wahlen in Bayern und Hessen. Nachtigall, ick hör´dir trapsen. Was für eine billig orchestrierte Schmierenkomödie zur Stärkung des Opfermythos beim geneigten Publikum!

Frank Pröse

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