– Landtagsabgeordneter Weiß soll neues Mitglied im Fraport-Aufsichtsrat werden –
Die beiden Protagonisten einer wohl als gelungen zu bezeichnenden Resozialisierung sind der SPD-Landtagsabgeordnete Marius Weiß und der Vorsitzende des SPD-Bezirks Hessen Süd und Wirtschaftsminister in Wiesbaden, Kaweh Mansoori. Der eine, Weiß; drohte tief zu fallen. Der andere, Mansoori, konnte das verhindern.
Im Frühjahr 2023 ermittelte die Staatsanwaltschaft in Wiesbaden gegen Marius Weiß wegen des Verdachts der Urkundenfälschung. Weiß soll, so der Vorwurf, seinen eigenen Parkausweis kopiert und anschließend -um möglichst originalgetreu zu sein – laminiert haben, um ihn seiner Ehefrau, die als Justiziarin der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag beschäftigt ist, zur Verfügung zu stellen, damit diese auch während der Sitzungswochen im Parkhaus des Landtags dort parken darf.
Dieses Ermittlungsverfahren kam zur Unzeit, denn im Oktober 2023 fanden die hessischen Landtagswahlen statt und Marius Weiß wollte natürlich wieder als Abgeordneter in den Landtag einziehen. Als Direktkandidat im Rheingau-Taunus-Kreis war er chancenlos. Dieser war fest in der Hand der CDU und das spätere Ergebnis der Landtagswahl bestätigte dies: Weiß erzielte gerade mal magere 13 Prozent. Der Einzug in den Landtag konnte also nur über einen sicheren Platz auf der Landesliste gelingen.
Der Helfer Mansoori
Und so kam es dann auch: Trotz des damals laufenden Strafverfahrens standen der Vorsitzende des SPD-Bezirks Hessen Süd, Kaweh Mansoori, aber auch die damalige Landesvorsitzende Nancy Faeser, fest an sder Seite von Marius Weiß. Der erhielt einen sicheren Listenplatz und zog somit problemlos als Abgeordneter in den hessischen Landtag ein. Seitdem ist er stellvertretender Fraktionsvorsitzender und haushaltspolitischer Sprecher der SPD. Zwischenzeitlich wurde Weiß vom Amtsgericht Wiesbaden wegen Urkundenfälschung verurteilt und erhielt einen Strafbefehl in Höhe von 80 Tagessätzen zu 160 Euro. Weiß gilt damit als nicht vorbestraft, da im Führungszeugnis nur Vorstrafen von mindestens 90 Tagessätze vermerkt sind.
Und die SPD durfte sogar in der neuen Legislaturperiode mitregieren, sehr zum Verdruss des bisherigen Koalitionspartners der CDU Bündnis90 /Die Grünen. Kaweh Mansoori wurde Wirtschaftsminister und gleichzeitig stellvertretender Ministerpräsident. Blöd nur, dass er sich offenbar eine sehr selbstbewusste Staatsekretärin aussuchte, die er wegen eines Zerwürfnisses bzw. angeblichen Fehlverhaltens der Staatssekretärin nach wenigen Monaten entließ. Dieser Vorgang schlug in der Presse hohe Wellen. Zur Aufklärung der Umstände dieser Entlassungsaffäre wurde auf Verlangen der Opposition ein Untersuchungsausschuss eingerichtet, der die Umstände der Gründe für die Entlassung aufarbeitet. Für den Vorsitz dieses Ausschusses bestimmte die SPD, sie hatte das Vorschlagsrecht – oh Wunder – den Abgeordneten Marius Weiß. Unter dem Aspekt des Resozialisierungsgedanken mag dies eine gute Entscheidung gewesen sein, denn Weiß erhielt somit die Möglichkeit, sich für die Loyalität seines Mentors und „Helfers“ Kaweh Mansoori erkenntlich zu zeigen. Und der Wirtschaftsminister kann sich in dieser pikanten und für ihn eher unangenehmen Affäre auf die absolute Loyalität seines Schützlings Weiß verlassen. „Ein Schelm, der sich dabei Böses denkt“ führten seinerzeit die Grünen in einer Pressemeldung aus.
Üppiges Zusatzeinkommen
Doch damit nicht genug: Da geregelte finanzielle Verhältnisse auch ein wichtiger Aspekt des Eingliederungsgedankens sind, soll Weiß jetzt auf Vorschlag der hessischen Landesregierung neues Mitglied im Fraport-Aufsichtsrat werden. Diese Funktion ist durchaus fürstlich vergütet. Der ehemalige Wirtschaftsminister in der Regierung von Hans Eichel, Lothar Klemm, der bis dato noch diese Aufsichtsratsfunktion innehat und dessen Nachfolge Weiß antreten soll, soll nach einem Bericht von hr-online im letzten Jahr neben der Grundvergütung von zuletzt 35.000 Euro und Zuschlägen für Ausschüsse und Sitzungsgelder bis zu 105.000 Euro erhalten haben. Mit diesen zusätzlichen Einnahmen kann Marius Weiß sich künftig völlig problemlos ein Jahresparkticket leisten.
Die Wiedereingliederung des auf die schiefe Bahn geratenen Abgeordneten scheint somit vollends gelungen Kaweh Mansoori und mit ihm die SPD-Fraktion haben damit gezeigt, was Solidarität bedeutet und wie sie gelebt werden kann. Das ist doch dann mal eine gute Botschaft, oder etwa nicht?
Begierde versus Werte
Klar, man könnte den Fall Weiß auch ganz anders beurteilen, denn da gibt es ja auch noch Werte wie Anstand, Haltung und Moral, die die SPD ebenfalls immer wieder gerne zu den ihrigen zählt.
Wir alle kennen dieses Gefühl: Wenn das Begehren, die Begierde überhandnimmt, handelt man häufig nicht unbedingt vernünftig. So sah es auch Platon, der die Begierde, neben der Vernunft und dem Tatendrang als einen von drei Teilen der Seele ansah und davon ausging, dass die Vernunft herrschen sollte um gerecht sein zu können.
Im privaten Bereich mag das Nachgeben des Begehrens manchmal befreiend wirken, in der Politik sollte dies aber nicht der Maßstab des Handelns sein, insbesondere wenn es um wichtige Funktionen, Einfluss oder Geld geht. Deshalb muss die Entscheidung der hessischen Landesregierung, die ja auf Vorschlag der SPD-Fraktion erfolgte, Marius Weiß als neues Mitglied in den Fraport-Aufsichtsrat zu entsenden, hinterfragt werden. Dies vor allem auch deshalb, weil die Kontrollfunktion der Geschäfte des Frankfurter Flughafens mit dem bereits erwähnten üppigen Nebenverdienst verbunden ist, den er zusätzlich neben den in seinem Hauptberuf als Landtagsabgeordneter gezahlten jährlichen Diäten in Höhe von etwa 112.000 Euro erhält.
Man kann getrost davon ausgehen, dass dieser Personalvorschlag ebenfalls nachhaltig von Kaweh Mansoori unterstützt wurde, denn diese Entscheidung soll nach Presseberichten sowohl innerhalb der SPD-Fraktion umstritten sein als auch im Präsidium der Landespartei, das diesen Personalvorschlag nicht einstimmig beschlossen haben soll.
Inzwischen muss im Hinblick auf die Vorgänge um den Abgeordneten Weiß die Frage erlaubt sein, ob zumindest Teile der SPD-Fraktion, mittlerweile das Sinnbild der Arroganz der Macht widerspiegeln bzw. einige Fraktionsmitglieder sich zu einer Art von Beutegemeinschaft formieren mit dem ausschließlichen Ziel und Begehren, ohne größere Diskussionen wichtige und einflussreiche Entscheidungen zu treffen und damit Macht auszuüben. So ist es nicht verwunderlich, dass die Vorgänge um die Personalie Marius Weiß nicht nur von der Opposition im Landtag, sondern auch in der SPD selbst, dort aber eher hinter vorgehaltener Hand, Unverständnis hervorrufen. Und dies in einer Partei, die sich selbst ja als Wertepartei versteht, der es darum geht, den mit ihrem Namen verbundenen Wertehorizont „Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ zu bewahren. Dabei geht es auch um moralisches Handeln, dabei geht es eben auch um Tugenden wie Anstand, Haltung, und Glaubwürdigkeit, es geht um den Respekt vor gesellschaftlichen Regeln und Gesetzen.
Entschuldigungsritual
Schon das damalige Verhalten von Weiß im Zusammenhang mit der sog. Parkhausaffäre warf viele Fragen auf.
Zunächst äußerte sich Weiß damals – sein gutes Recht – nicht zu dem Vorwurf. Lediglich auf dem Parteitag seines Unterbezirks Rheingau – Taunus soll er um Verständnis für sein Schweigen gebeten und die enorme Belastungssituation für sich und seine Familie geschildert haben. Weder dementierte er damals den strafrechtlichen Vorwurf, räumte ihn aber auch nicht ein.
Als Weiß dann den Vorsitz des Hanau- Untersuchungsausschusses niederlegte, äußerte er sich hierzu in seiner schriftlichen Stellungnahme u.a. wie folgt:
„Als Mensch habe ich einen Fehler gemacht, den ich zutiefst bereue. Dieser Fehler tut mir unendlich leid, denn schlimmer als der rechtliche Vorwurf ist, dass ich das Vertrauen von Menschen enttäuscht habe, innerhalb und außerhalb meiner Partei.“
Bemerkenswertes Statement: Als Mensch! In welcher Gestalt macht man sonst Fehler? Und als Politiker nicht?
Ein „rechtlicher“ Vorwurf? Er meint wohl einen strafrechtlichen Vorwurf, mochte dieses Wort aber offensichtlich nicht in den Mund nehmen!
Und dann: Schlimmer als der Vorwurf gegen rechtstaatliche Grundsätze verstoßen zu haben und mit einer Straftat konfrontiert zu sein, sei die Enttäuschung der Menschen um ihn herum? Was für ein Rechtsstaatsverständnis hat der Jurist Weiß?
Er führte weiterhin aus, dass es in dem Untersuchungsausschuss auch um eine Fehlerkultur in der Politik und um Übernahme einer politischen Verantwortung gehe, die er nun selbst praktiziere, für den Fehler, den er begangen habe. Gleichzeitig bat Weiß um die Chance, alles in seiner Macht Stehende tun um verlorengegangenes Vertrauen zurückgewinnen zu können.
Meine Lesart:
„Übernahme der politischen Verantwortung“ und „alles in seiner Macht Stehende um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen“ hätte zwingend einen Verzicht auf eine erneute Kandidatur als Abgeordneter bedeutet.
Sein Verständnis:
Lasst mich nicht fallen, war doch bloß ein einziger Fehler, gebt mir einen sicheren Listenplatz.
Diese persönliche Konsequenz „light“ nebst öffentlicher Entschuldigung erfolgte gerade noch rechtzeitig vor dem Landesparteitag der hessischen SPD und den abschließenden Beratungen der Gremien über die Kandidatenliste.
Kaweh Manssori wollte Marius Weiß diese Chance einräumen und stellte fest, dass es am Ende darum gehe, den Grad einer einmaligen Verfehlung ins Verhältnis zum Gesamtwerk der Person zu setzen.
Ernsthaft? Ist das die Arithmetik der Politik oder nur der SPD?
Und all seine Beteuerungen haben Marius Weiß auch nicht daran gehindert, vor einigen Monaten wiederum den Vorsitz eines Untersuchungsausschusses zu übernehmen, ganz nach dem Motto: Ich habe meine Strafe erhalten, Schwamm darüber, alles vergeben und vergessen. Halt einen Fehler gemacht.
Was aber ist denn ein Fehler? Bemüht man hierzu die Definition in Wikipedia heißt es dort: „Ein Fehler ist die Abweichung eines Zustands, Vorgangs oder Ergebnisses von einem Standard, den Regeln oder einem Ziel“. Dies bedeutet nicht bloß eine Abweichung vom festgefügten „Normalen und Zulässigen“, sondern auch von einem Ziel, das heißt einem künftigen Zustand, auf dessen Herbeiführung man Einfluss nehmen kann. Diese Definition des Fehlerbegriffs ist deshalb bemerkenswert, weil sie so etwas wie Verantwortung für die Zukunft des menschlichen Handels bestimmt.
Und vor diesem Hintergrund muss sich insbesondere die hessischen SPD einige Fragen gefallen lassen. Für Marius Weiß mag mit seiner Verurteilung gegen ihn die Angelegenheit ein Ende gefunden haben nach dem Motto: Weiter geht’s, Buissiness as usal, er geht seinen Weg weiter, und dies durchaus erfolgreich.
Werteverständnis
Dies mag für Weiß persönlich eine gute Lösung sein, aber darf dies auch für seine Partei gelten? Welche Bedeutung haben noch die Werte der SPD, denn sie selbst versteht sich ja als Wertepartei, der es darum geht, den mit ihrem Namen verbundenen Wertehorizont „Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ zu bewahren. Dabei geht es auch um moralisches Handeln, dabei geht es auch um Tugenden wie Anstand, Haltung, und Glaubwürdigkeit, es geht um den Respekt vor gesellschaftlichen Regeln und Gesetzen. Oder spielen all diese Werte innerhalb der Landespartei gar keine Rolle mehr? Es muss schon verwundern, dass innerhalb der Partei niemand aufsteht und laut und deutlich sagt: So nicht!
Warum hatten die Parteiverantwortlichen nicht den Mut zu sagen: Sorry, dieses Verhalten kann die Partei – bei aller Wertschätzung für eine erbrachte Leistung als Abgeordneter – nicht tolerieren. Und die Chance auf Wiedergutmachung, verlorenes Vertrauen neu aufzubauen, wäre auch als einfacher „Parteisoldat“ möglich gewesen.
Stattdessen macht es sich die Partei einfach, befördert gar den Abgeordneten Weiß und verweist schlicht auf das Vorschlagsrecht der Landesregierung, „die sich nach der bestmöglichen fachlichen Qualifikation, die sich aus der akademischen Ausbildung, der langjährigen Erfahrung in verschiedenen Aufsichtsgremien und der umfassenden Kenntnis des Unternehmens ergibt.“
Offenbar scheint Marius Weiß der einzige Abgeordnete innerhalb der SPD-Fraktion zu sein, der über diese Qualifikationen verfügt. Ernsthaft? Dann wäre es um die Zukunft dieser Partei schlecht bestellt.
Ach so, ich vergaß, es ging ja um den Resozialisierungsgedanken.