Das Wettrüsten gehört ausgemustert

– Ein Plädoyer für den Versuch der Einbindung Russlands in eine europäische Sicherheitsarchitektur

Deutschland hat gewählt! Kein Grund, sich zufrieden zurückzulehnen nach dem Motto: Der Regierungsauftrag ist doch erteilt… Denn wie soll etwas besser werden, wenn wieder nur der kleinste gemeinsame Nenner regiert? Für einen Richtungswechsel war geworben worden und der war dem Wahlausgang nach auch erwünscht. Weil aber die 20 Prozent AfD-Wähler aus historischer Verantwortung von jeglicher Regierungsbildung ausgeschlossen sind, bleibt als Resultat des Urnengangs sowie einer erfolgreichen Sondierung der Kleinen Koalition nicht viel mehr als die Besetzung der Ämter mit nur zum Teil neuem Personal. Das Regierungshandeln von Schwarz-Rot dürfte sich letztlich nicht wesentlich von jenem des rot-grün-gelben Vorgängerbündnisses unterscheiden, weil vor allem allzu forsch ins Fenster gestellte Wahlversprechen während der Koalitionsverhandlungen einkassiert werden müssen. Das beste Beispiel liefert die Union, die sich als Hüterin der Staatsfinanzen aufspielte und jetzt eine Verschuldungsoffensive befürwortet, die ihresgleichen sucht. So ist das eben mit der normativen Kraft des Faktischen. Man sollte eben den Mund nicht zu sehr spitzen, wenn man nicht in Regierungsverantwortung steht.

Donald Trumps Politik der Disruption legt Gewohnheiten und Partnerschaften in Trümmer. Foto: Pixabay

Die Karten der angestrebten Koalition aus Union und SPD sind ungeachtet der offenbar erzielten Einigung bei Schuldenbremse und Sondervermögen noch lange nicht gelegt, weil man damit rechnen muss, dass wieder versucht wird, das Bündnis bis in die siebte Sohle hinunter vertraglich festzulegen. Dabei drängt die Zeit, sorgt Donald Trump doch von Tag zu Tag für ein immer ungemütlicheres politisches Klima. Das erfordert rasche Reaktionen, möglichst eingebunden in eine mittelfristige Strategie. Dabei geht es zuvorderst weniger um innenpolitische Themen wie Migration, Wirtschaftsprogramme, Rentenreform oder soziale Sicherheit. Die potenziellen Regierungspartner haben vielmehr die Aufgabe, Deutschland und Europa im geopolitischen Kräftemessen der großen Mächte rasch und konsequent so zu positionieren, dass nicht die Rollen als Bittsteller und Befehlsempfänger übrigbleiben.

Das Problem: Deutschland wird noch eine Weile lediglich von einer geschäftsführenden Regierung vertreten und vorerst nur am Rande und nicht federführend dieses herausgeforderte Europa für die plötzlich in Mode stehende Art disruptiver Auseinandersetzung wappnen können. Olaf Scholz ist natürlich offiziell auf den Gipfelbildern der Europäer vertreten, steht aber schon in der hintersten Reihe, während sich seine englischen, französischen und polnischen Kollegen in den Vordergrund drängen, wenn es darum geht, gute alte transatlantische Gepflogenheiten, ja auch Regeln zu überprüfen, die vom neuen US-Präsidenten  Donald Trump scheibchenweise aufgekündigt werden.

USA haben Europa abgehakt

Diejenigen, die es immer besser wissen, weisen heute darauf hin, dass Europa es hätte besser wissen müssen. Heißt: Für die USA und ihre konservativen Eliten ist Europa doch schon seit Jahren abgehakt, deren Fokus richtet sich geostrategisch längst auf den asiatischen Raum. Dort nämlich spielt künftig die Musik im Kräftemessen der wirklich Mächtigen, sprich USA, Russland, China und Indien. Wie wichtig dieses Thema für die Trump-Administration ist, zeigt sich doch an deren zaghaften wie plumpen Versuchen der Annäherung an Putins Politik. Washington will so möglichst einen Keil zwischen Russland und China treiben. Bisher ist Trumps leichte Umarmung des Kriegstreibers in Moskau noch nicht so recht auf Gegenliebe gestoßen. Es scheint vielmehr, als sei die US-Strategie schon im Ansatz gescheitert, da Moskau und Peking nahezu zeitgleich zu den Avancen aus Washington ihre enge Allianz öffentlichkeitswirksam bekräftigt haben. Für dieses Bündnis läuft es ja auch wie geschmiert, weil dessen Intention, einen Keil zwischen die USA und ihre transatlantischen Verbündeten zu treiben, wegen Trumps breitbeinigen Western-Style-Auftritten aufgeht. 

Der MAGA (Make America Great Again)-Präsident will das noch nicht wahrhaben, führt deshalb Europa jeden Tag aufs Neue vor. Für eine neue Geschäftsbeziehung mit dem Kriegsverbrecher und Mafiaboss Putin und nach der faschistoiden Kaperung der amerikanischen Demokratie ist der verurteilte Straftäter im Weißen Haus bereit, jegliche in Jahren gewachsenen Beziehungen und Abkommen mit seitherigen Bündnispartnern der USA aufzugeben. US-Präsident Donald Trump, sein Vize J. D. Vance sowie sein Rächer und Saubermann Elon Musk führen aller Welt vor Augen, wie heutzutage ein Staatsstreich selbst in einer gefestigten Demokratie gelingen kann. Disruption, wo man nur hinschaut. Erstes Opfer: Die Gewaltenteilung. Das zweite Opfer, die Meinungsfreiheit, wird in Donalds Land im gleichen Moment einkassiert, in dem die Europäer von seinem Vize J.D. Vance auf angebliche Versäumnisse auf diesem Gebiet hingewiesen werden.

Den Europäern mit erhobenem Zeigefinger ihre angeblichen Demokratiedefizite vorzuhalten und im eigenen Land die Justiz Schritt für Schritt gleichzuschalten, um mehr Beinfreiheit beim Umbau der Vereinigten Staaten zum autoritären Führungsstaat zu erhalten, das passt zur faschistischen MAGA-Strategie, die bei Vorturner Trump in Großkotzmanier zum gleichen Teilen auf Ahnungslosigkeit, Lüge und Erpressung fußt. Für diese Regierungsform wurde dieser Tage die Bezeichnung Ideokratie kreiert. Wie passend!

Wer nicht nach der Pfeife der neuen Regierung in Washington tanzt, wird mit Zöllen bestraft. Wer den Golf von Mexico jetzt nicht nach Trumps Idee Golf von America nennt, wird bestraft. Wer wie Ukraines Präsident Selenskyj nicht mit dem vorgelegten Vertrag über die Nutzung  gesuchter Mineralien einverstanden ist, weil die Sicherheitsgarantien fehlen, wird sofort als „Diktator ohne Wahlen“ verunglimpft oder vor der Weltpresse gedemütigt. Wobei die Unterstützung für die Ukraine für neue Deals mit dem Kreml von heute auf morgen von Washington erpresserisch zur Disposition gestellt wird,  Geschichtsklitterung als Begründung inklusive. So viel Krimsekt haben sie im Kreml gar nicht vorrätig, um die täglich neuen Annäherungsversuche der USA  an russische Machtpositionen und dortige Ideen von der Aufteilung der Welt abzufeiern. 

Europa bleibt Russland unterlegen

Währenddessen stehen die Europäer mit offenen Mündern da und bringen vorerst nicht einmal ansatzweise eine geschlossene Antwort darauf zustande, wie die Vision Europa aussehen soll, wenn die im Völkerrecht garantierte territoriale Souveränität dem Recht des Stärkeren und dessen Gier nach Beute nicht geopfert werden soll und auf die NATO-Beistandsverpflichtung der USA kein Verlass mehr zu sein scheint. AUFRÜSTRUNG lautet das Zauberwort, das bei genauerem Hinsehen auf die Kosten, den miserablen Ausrüstungszustand vieler europäischer Streitkräfte, die Schaffung krisensicherer Beschaffungswege, die Kriegstüchtigkeit ohne den aufklärerischen und logistischen Beistand der USA seines Zaubers sofort beraubt ist.

Die Europäer müssen sich jetzt überlegen, wie sie möglichst schnell einen eigenen Schutzschirm gegen nukleare Drohungen aus Russland aufbauen können: Genügt dafür ein leistungsstarkes Raketenabwehrsystem? Oder bedarf es dazu einer eigenen nuklearen Abschreckungsfähigkeit, einer, die sich auf alle EU-Staaten oder NATO-Mitglieder bezieht und auf die sich diese auch verlassen können? Denn eine Rückversicherung bei konventioneller Unterlegenheit ist es heute, einen potenziellen Gegner nuklear abzuschrecken. Ohne die USA kämen hier die französischen und britischen Atomwaffen ins Spiel. Für die Franzosen ist das kein neuer Gedanke. Macron hat die Idee einer europäischen nuklearen Abschreckung bereits ins Spiel gebracht.

Doch wie sehr dieses Europa militärisch auch aufrüstet, es wird jederzeit vom immer noch besser hochgerüsteten und auf Kriegswirtschaft umgebauten Russland erpressbar sein, wenn sich die Amerikaner als militärischer Dienstleister für das NATO-Bündnis wie angedeutet aus Europa zurückziehen. Denn Putin will das Rennen gegen die Zeit gewinnen. Allein 2024 ließ er fast 146 Milliarden US-Dollar in die Rüstung pumpen. Kaufkraftbereinigt ist das nach Angaben des International Institute for Strategic Studies (IISS) mehr als alle europäischen Länder zusammen. Das zeige, dass „für Putins Russland die Ukraine nur der Anfang ist“, warnte Verteidigungsminister Boris Pistorius, der die Bundeswehr bis 2029 „kriegstüchtig“ sehen will. Stellt sich nur die Frage: Ist die Bundeswehr dann solo kriegstüchtig, oder profitiert sie im Verbund mit den Europäern beispielsweise auch von den massiven Aufrüstungen beispielsweise der Polen, die schon allein die größte Streitmacht Europas ertüchtigen wollen.

Finden West und Ost noch zueinander?

Die Nachwehen des Ukraine-Kriegs sollten möglichst zu einer europäischen Sicherheitsarchitektur führen, zu der auch Russland gehört. Foto: Pixabay

Vielleicht wäre es aber auch von Vorteil, mal über den Tellerrand hinaus in eine Zeit zurückzuschauen und sich daran zu erinnern, dass es schon einmal wegen eines Ressourcen fressenden Rüstungswettlaufs ermutigende Versuche gab, der Logik des Kalten Kriegs endlich zu entrinnen. 1997 gab es mit der Unterzeichnung  der NATO-Russland-Grundakte eine Annäherung von West und Ost durch ein Abkommen zur Friedenssicherung. „Die NATO und Russland betrachten einander nicht als Gegner“, lautet der Kernsatz der Grundakte. Beide Seiten verpflichteten sich, die Souveränität und die territoriale Integrität aller Staaten zu achten – und auf Gewalt gegeneinander oder andere Staaten zu verzichten. Der NATO-Russland-Rat wurde ins Leben gerufen, um Vertrauen aufzubauen und bei Rüstungsfragen und im Kampf gegen den Terrorismus an einem Strang ziehen zu können.

Um dem Kreml entgegenzukommen, sagten die USA und die europäischen Staaten Russland damals Wirtschaftshilfen zu und nahmen Moskau auf in die prestigeträchtige Gruppe der führenden Industrieländer. Vor allem aber erklärte die NATO, sie habe nicht die Absicht, in den neuen Bündnisstaaten Nuklearwaffen oder Kampftruppen zu stationieren. Russlands Präsident Boris Jelzin war dieser Punkt besonders wichtig. Ausdrücklich machte die NATO in der Grundakte weitere Stationierungen aber von der Sicherheitslage abhängig.

Hintergrund für die Übereinkunft war die Debatte um die Aufnahme von Staaten, die ehemals dem Warschauer Pakt angehörten. So ebnete die Grundakte den Weg für die NATO-Osterweiterung mit zunächst Polen, Tschechien und Ungarn – viele weitere Staaten folgten. Doch das Dokument ist kein völkerrechtlich bindender Vertrag; ausdrücklich wird darin die Gültigkeit der Vereinbarungen von der Sicherheitslage abhängig gemacht… Und so wurde die Zusammenarbeit zwischen Russland und der NATO nach dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 ausgesetzt.

Jelzins Nachfolger Wladimir Putin hatte allerdings schon zuvor jahrelang militärisch auf der Krim und in der Ostukraine dafür gesorgt, dass genau die Sicherheitslage sich dramatisch verschlechterte. Das führte wiederum dazu, dass die NATO Truppenkontingente an ihre Ostflanke verlegte. Putin erklärte die NATO daraufhin zu einer vermeintlich heranrückenden Bedrohung, die seine Pläne durchkreuzt, angrenzende Staaten unter russischen Einfluss zu bringen. 

Mit der Grundakte sei der Schleier der Feindseligkeit zwischen Ost und West überwunden, erklärt US-Präsident Bill Clinton 1997. Schon 25 Jahre später ist dieser Schleier mit dem russischen Angriff auf die Ukraine wieder erheblich dichter geworden. Für den Zerfall dieser West-Ost-Beziehungen trägt Putins Russland große Verantwortung. Aber auch die NATO hat schwere strategische Fehler gemacht. Nun steht die gewaltige Aufgabe an, den von Clinton angesprochenen Schleier wieder zu lüften, selbst wenn es Jahre dauern sollte.  Wäre dies nicht aller Mühen wert, statt sich im kräftezehrenden Wettrüsten der Ressourcen zu berauben, die dringend für die Rettung des Planeten und die Beseitigung von Armut und Elend benötigt werden? 

Sind solche Gedankenspiele realistisch? Zurzeit hören sie sich utopisch an, denn Putin will doch gar nicht verhandeln, wie es immer wieder heißt. Aber auch wenn es wenig Signale aus dem Kreml gibt, dass Interesse an Verhandlungen besteht: die lassen sich auch quasi herbeiverhandeln. In der Geschichte öffnen sich immer mal wieder Türen, die zuvor für immer geschlossen schienen. Hat nicht sogar Vladimir Putin selbst dereinst in Berlin  für Furore gesorgt, als er sich für ernsthafte Verhandlungen über die Aufnahme Russland in die Allianz aussprach? Im NATO-Hauptquartier in Brüssel wusste man damals freilich nicht, wie man diese Ankündigung einschätzen sollte. Spätestens seit dem Fall des Eisernen Vorhangs wird eine NATO-Mitgliedschaft Russlands aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Da aber bislang kein formeller Antrag auf Aufnahme vorliegt, wird das Thema auch nicht diskutiert. Dabei ist ohnehin klar: Erst müssten sich die Beziehungen in konkreten Handlungen bewähren und ein Netz des Vertrauens entstehen lassen, ehe man Russland in die Sicherheitsarchitektur Europas einbinden kann. Denn eines steht fest: Gesamteuropäische Stabilität ist nicht ohne oder gegen Russland zu erreichen. Grundlage vertrauensbildender Maßnahmen ist aber immer ein ausreichendes militärisches Abschreckungspotenzial.

Krieg als Mittel der Politik

Die internationale Ordnung wurde im 20. Jahrhundert dreimal „neu geordnet“: mit dem Versailler System von Friedensverträgen und der Errichtung des Völkerbundes 1920, mit dem Potsdamer Abkommen und den Vereinten Nationen 1945 sowie nach dem Ende des Kalten Krieges mit der „Charta von Paris“ 1990 sowie der Schaffung der OSZE. Eine gemeinsame Sicherheitsstruktur unter Einschluss Russlands, die für Europa vorteilhaft gewesen wäre, entstand daraus jedoch nicht. Nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation war es der Westen, der Krieg wieder zu einem „normalen Mittel“ der internationalen Politik gemacht hat. Russland folgte dem mit etwa 20 Jahren Abstand.

Doch die Lügen und Verbrechen der USA in den Kriegen seit 1990 entlasten Putins Ukraine-Politik nicht. Auch die Intrigen der USA seit den 1990er Jahren, Russland durch Osterweiterung der NATO und Maßnahmen zur Vorwärts-Stationierung von Truppen und Raketen der NATO im Osten Europas strategisch zu bedrängen, entschuldigen keinerlei „Präventivkrieg“ (Kreml-Wording). Dieser Krieg ist letztlich irgendwie das Ergebnis der Abwesenheit einer europäischen Sicherheitsarchitektur, die für alle Staaten des Kontinents akzeptabel sein und ihre legitimen Sicherheitsbedürfnisse respektieren sollte. Der russischen Seite kann nicht ein Mangel an Versuchen vorgeworfen werden, eine solche Friedensordnung mit Dialog- und Kontrollorganen zu schaffen. Das haben die USA und die von ihr geführte NATO aber verhindert. Der Verlierer des Kalten Krieges sollte klein beigeben und sich in eine Rolle als „Regionalmacht“ (US-Präsident Barack Obama) fügen. Diese Art der Erniedrigung musste Moskau provozieren.

Ans Schutzniveau herantasten

Für Putin haben begrenzte Versuche institutioneller Einbindung, etwa im Rahmen der OSZE oder des NATO-Russland-Rates, bisher zu wenig Anreiz für den Erhalt der bestehenden Ordnung bieten können. Und aus westlicher Perspektive muss der Versuch, Stabilität auf Grundlage einer inklusiven, wertebasierten Ordnung zu gewährleisten, als gescheitert angesehen werden. Vielleicht führt eine Art Abrüstung bei den Ansprüchen eher zum Ziel einer Art „Frieden Ordnung light“.

Hier ließe sich die Idee einer Neuauflage des Konzertsystems als stabilisierendes Element einer europäischen Nachkriegsordnung aufgreifen.  Wesentliches Merkmal: Eine Kombination von Abschreckung und Anreizen, um einen Ausgleich zwischen legitimen Sicherheitsinteressen einerseits und machtpolitisch unterfütterten Gestaltungsansprüchen andererseits zu organisieren. Moskau könnte der Einstieg durch den Anreiz gleichberechtigter Teilhabe in diesem System der europäischen Staaten erleichtert werden. Die damit verbundene Gestaltungsmacht bei der Ausformung und Aufrechterhaltung der europäischen Sicherheitsarchitektur würde es Russland mit friedlichen Mitteln erlauben, eigene Ordnungsvorstellungen effektiv zu verfolgen und gegenläufige Ambitionen des Westens wirksam zu begrenzen. Eine solche Teilhabe wäre freilich an Bedingungen zu knüpfen wie unter anderem die Akzeptanz des umfassenden Gewaltverbots im Sinne der Charta der Vereinten Nationen. Außerdem müsste Moskau territorialer Integrität, staatlicher Souveränität und Selbstbestimmung garantieren, im Idealfall auch für Vasallenstaaten wie Weißrussland. So entstünde eine wirksame Verbindung zwischen der Garantie der Sicherheitsinteressen der mittel- und osteuropäischen Staaten einerseits und der Akzeptanz eines echten (Mit-)Gestaltungsanspruchs Russlands andererseits.

Mit der ursprünglich aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA bestehenden Jugoslawien-Kontaktgruppe gibt es einen Präzedenzfall, in dem der Konzert-Ansatz bereits zum Einsatz kam. Obwohl das Format regional begrenzt war, fand es am Ende breite Akzeptanz in der Staatengemeinschaft, da man letztlich in einem extrem schwierigen Umfeld zu Lösungen gelangte. Jedenfalls böte eine Anlehnung an einen solchen weniger ambitionierten, aber allgemein akzeptierten Standard im Ergebnis ein höheres Schutzniveau als ein Festhalten an idealistischen Prinzipien, die praktisch kaum durchsetzbar sind. Parallel zu den Aufrüstungsplänen sollte deshalb eine ernsthafte Diskussion gerade auch mit Russland darüber geführt werden, wie man gemeinsam Frieden und Sicherheit in Europa herstellen kann.

Ein Gedanke zu ”Das Wettrüsten gehört ausgemustert

  1. Eine sehr gute Analyse und vor allem sehr detaillierte Zusammenfassung der vergangenen Versuche, mit Russland eine konspirative Zusammenarbeit mit gegenseitigem Respekt zu ermöglichen oder herbeizuführen. In der Vergangenheit haben verschiedenste Initiativen versucht, Russland durch gegenseitigen Handel zur Zusammenarbeit im geopolitischen Sinn zu bewegen. Ich denke, durchaus ein sinnvoller Ansatz. Allerdings hat sich gezeigt, dass auf die Aussagen und sogar Verträge mit Russland (hier Putin) kein Verlass ist. Spätestens nach der Annexion der Krim sollte das jedem klar geworden sein. Ich erinnere mich noch gut an die Aussagen Russlands kurz vor dem Angriff auf die Ukraine (es wurden ja massiv Truppen zusammengezogen), die jegliche Bedenken als westliche Propaganda und völlig aus der Luft gegriffen dargestellt haben.
    Ich habe derzeit die Bedenken, dass jegliche Versuche vertragliche Vereinbarungen mit Russland abzuschließen auf sehr ‚dünnem Eis‘ stehen würden und der ‚Westen‘ hier zu blauäugig vorgehen könnte.
    Allerdings habe ich hier (LEIDER) auch keine Idee eines Lösungsweges. Eine Stärkung unseres europäischen Auftretens und ein weiter verstärktes Europa wäre zumindest hilfreich. Wir brauchen einen Gegenpol zum ‚Imperialismus‘ egal ob aus em Westen, Osten oder Lokal!
    Hoffen wir, es geht damit voran!

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