Ihr schlecht performendes, lästig oder überflüssig gewordenes Personal sortieren die Parteien gerne nach Europa aus. Parteifreunde aus der zweiten oder dritten Reihe werden dann via Brüssel/Straßburg zur Überwindung des Trennungsschmerzes im Abklingbecken für Abgehalfterte über Gebühr grundversorgt, reißen dann aber natürlich auch auf europäischer Ebene nichts, was schließlich dazu führt, dass nationale Interessen bei ihnen zumeist nicht gut aufgehoben sind. Dabei bräuchte dieses Europa die besten Köpfe. Auf Beamtenebene und an der Spitze vieler Institutionen funktioniert das auch. Politisch aber wird das Schicksal von Europa nicht ausschließlich von den Besten bestimmt, sondern von Zufällen und politischen Gemengelagen in den Mitgliedsländern.
Selten kommt es vor, dass politische Schwergewichte aus den Führungsgremien der Parteien nach Europa weggelobt werden, wenn sie also nicht wegen schwächelnder Performance an der Heimatfront zu Auslaufmodellen à la Edmund Stoiber, Martin Schulz, Günther Oettinger gehören. Das trifft aktuell auf Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu, für markige Sprüche bekannte Beisitzerin im Bundesvorstand der FDP und lange Zeit als selbstbewusste Vorsitzende des Verteidigungsausschusses über ihre Omnipräsenz in Talkshows gefühlte Verteidigungsministerin und Expertin für Militärführung. @MAStrackZi, so ihre Twitter-Kennung, hat unverdrossen für deutsche Waffenlieferungen in die Ukraine geworben und so in der ersten Phase des russischen Angriffskrieges ihren Bekanntheitsgrad erhöht.
Dass dieses TV-Starlet bei den mit markanten und bekannten Köpfen ja nicht gerade gesegneten Liberalen nach dem Willen der Parteiführung künftig im Europaparlament wirken soll, irritiert nur auf den ersten Blick. Sie wird von der FDP-Spitze aussortiert (offiziell als Spitzenkandidatin der Partei für die Europawahl weggelobt), weil sie nicht nur zur besten Sendezeit mit schweren Waffen für ihre Überzeugungen kämpfte, sondern auch als Ordensritterin in Aachen im Narrenkäfig nicht das Florett, sondern den schweren Säbel für ihre Attacken vor allem gegen Friedrich Merz (CDU) führte. Dem Oppositionsführer und „Flugzwerg aus dem Mittelstand“ hielt sie seine umstrittenen Äußerungen wie „Sozialtourismus“ und „kleine Paschas“ vor und warf ihn kurzerhand in einen Topf mit dem Kriegsverbrecher Putin. Diesem „Wodka-Zwerg“ empfahl sie kurzerhand Selbstmord. Das alles fanden viele in der CDU, aber auch bei den Liberalen als unterste Schublade, passend zu einem insgesamt niveaulosen Auftritt.
Der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke prophezeite damals schon, dass sich Strack-Zimmermann mit der Rede keinen Gefallen getan hat. Die Rede sei „weder der ernsten Situation der Kriegszeit“ noch ihr als Verteidigungspolitikerin gerecht geworden. Und von Lucke sollte Recht behalten. Das Wahldesaster der FDP in Berlin wurde intern auch auf Strack-Zimmermanns ohne Rücksicht auf Kollateralschäden geführten Angriff auf die CDU zurückgeführt. Die Begründung: Bürgerlichen Wählern, die mal der CDU, mal der FDP ihre Stimme geben und immer noch auf Schwarz-Gelb hoffen, dürfte der Auftritt kaum gefallen haben. Schließlich machen bei der FDP-Chef Christian Lindner, der Fraktionsvorsitzende Christian Dürr und Generalsekretär Bijan Djir-Sarai keinen Hehl aus ihrer heimlichen Sehnsucht nach „Jamaika“.
Auf Twittert präsentiert sich @MAStrackZi anlässlich des „Europe Day“ schon mit der Europaflagge und sagt im Interview der „Zeit“: „Wenn die Partei denkt, ich bin die Richtige (für Europa), dann mache ich das auch.“ Um einen Karriereknick zu vermeiden, muss die Partei der Dame mit dem ausgeprägten Ego eine Perspektive eröffnet haben. Aber mit welchem Posten kann sie rechnen? Die nächste mögliche Kommissarinnen-Stelle fällt absprachegemäß an die Grünen. Also bleibt nur eine herausragende Position im Parlament. Wie gut, dass Nicola Beer, Spitzenkandidatin der Liberalen für die Europawahl 2019, in Fortführung ihrer wenig überzeugenden Rolle als FDP-Generalsekretärin auch als Vizepräsidentin im Europaparlament eine schwache Figur abgibt und der in den Ruhestand wechselnde Werner Hoyer eine von der FDP besetzte Präsidentenstelle bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) frei macht.
Bei dem so ausgetüftelten Postenschacher schert sich die FDP-Spitze natürlich nicht um die Frage der Eignung der Kandidatinnen. Denn präsidial war das Auftreten der selbst in der FDP wegen ihrer nervenden Art nicht als ministrabel geltenden Strack-Zimmermann bisher gerade nicht, lebte sie bisher doch eher vom krawalligen Unterton und hat in entscheidenden Momenten wie dem Raketeneinschlag in Polen ihre Impulse nicht unter Kontrolle. Und Rechtsanwältin Nicola Beer, in Hessen einst Justiz- und Kultusministerin bringt so gar keine Voraussetzungen für den Spitzenposten bei einer EU-Bank mit. Ämterpatronage dieser Art ist eine besondere Form von Korruption. Mehr Worte muss man darüber nicht verlieren.