Heuchelei im Jackpot inklusive

– Wie der Sport gemeinsam mit Wettanbietern die Glücksspielsucht befördert –

Die Psychologie des Glücksspiels basiert auf dem menschlichen Belohnungssystem, das durch die Ausschüttung von Dopamin aktiviert wird. Und die Wissenschaft sagt: Das menschliche Gehirn ist der entscheidende Faktor. Werde dort die Verquickung des Reizduos Glücksspiel plus Glücksgefühl abgespeichert, könne es schwer werden, gegen die aufkeimende Sucht anzukommen. Mit der Zeit steige die Intensität des Spielens, um angesichts verstetigter Verluste das gleiche Gefühl zu erreichen. Es komme zum Kontrollverlust. Der Spieler/ die Spielerin gerate in einen Teufelskreis aus steigenden Einsätzen und Verlusten. Stress, Angstzustände, Depressionen und andere psychische Erkrankungen könnten das Risiko noch erhöhen, eine Sucht zu entwickeln. Einsamkeit, Probleme in Beziehungen und berufliche Schwierigkeiten könnten sowohl Ursache als auch Folge der Sucht sein. 

Foto3D-Grafik: Rachakrit Suttarattanamongkol/Vecteezy

Eine besondere Suchtgefahr stellt die ständige Verfügbarkeit von Online-Glücksspielen dar, da es keine räumlichen oder zeitlichen Grenzen gibt, die man vielleicht noch mit der Ära der Nur-Spielhallen verbindet. Heute ist die nächste Wette nur einen Klick entfernt. Die niedrigeren Einstiegshürden ermöglicht es gerade den Digital Natives, schnell und unkompliziert mit dem Glücksspiel zu starten. Um deren Gunst werben die Wettanbieter vorrangig – mit Erfolg. Denn unter den von der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren genannten mindestens 1,3 Millionen Menschen leiden von Jahr zum Jahr mehr Jugendliche an einer Form der Spielsucht. Weitere 3,3 Millionen zeigen ein riskantes Verhalten.

Was oft mit einer einzelnen Wette auf den Lieblingsverein beginnt, kann sich innerhalb kurzer Zeit in eine Glücksspielsucht entwickeln. Chasing-Verhalten, das Hinterherjagen von Verlusten, nennen Experten das typische Suchtmerkmal. Weitere Anzeichen einer Abhängigkeit sind der Drang, immer häufiger und riskanter zu wetten – ebenso, wenn für Spieler das Wetten zum zentralen Lebensinhalt wird. Süchtige erleben oft einen totalen Kontrollverlust. Sie wetten weiter, auch wenn sie bereits pleite sind. Der Schuldenberg wächst bei manchen in die Hunderttausende und mehr. Nach Angaben des ehemaligen Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard Blienert haben Menschen in Deutschland allein im Jahr 2022 bei Sportwetten 1,4 Milliarden Euro verloren, fast doppelt so viel Geld wie zehn Jahre zuvor. Die weltweiten Umsätze der Branche haben sich dagegen binnen vier Jahren mehr als verdoppelt. Nicht eingerechnet ist dabei der florierende Schwarzmarkt. 


Der eigene Fußballsachverstand soll zum Gewinn beitragen. Doch das ist ein kompletter Trugschluss. Letztendlich sind Sportwetten auch ein Glücksspiel.

Dr. Tobias Hayer, Psychologe und Glücksspielforscher


Vor allem Fußballvereine stehen zunehmend im Kreuzfeuer der Kritik, ihre Plattformen für Glücksspielwerbung zu öffnen – besonders in Hinblick auf den Jugendschutz. Denn Kinder und Jugendliche bilden einen großen Teil der Stadionbesucher und der Fans in den sozialen Medien der Clubs. Die Sichtbarkeit von Glücksspielmarken bei jungen Zielgruppen widerspricht jedoch dem eigentlichen Ziel des Glücksspielstaatsvertrags: der Kanalisierung und dem Schutz vor problematischem Spielverhalten.

Müssen die Befindlichkeiten von Zockern den Staat kümmern? Sehr wohl! Denn Glücksspielschäden sind ein gesamtgesellschaftliches Problem. Werbung führt nach Stand der Forschung zu mehr „Konsum“ oder setzt zumindest einen höheren Anreiz, etwas Auszuprobieren. Bei riskant Spielenden sind es sogar neun von zehn. Hier geht es um die Gesundheit vieler Fans. Manche verspielen Haus und Hof. Neben gravierenden finanziellen, psychischen und sozialen Folgen für Betroffene und deren Angehörige verursachen Glücksspiele auch hohe gesellschaftliche Kosten, die ungeachtet der hohen Dunkelziffer offiziell mit 326 Millionen Euro im Jahr (2024) beziffert werden: durch Überschuldung, Arbeitslosigkeit, gesundheitliche Belastungen sowie familiäre Krisen. Zu den direkten Kosten (insgesamt 152 Millionen Euro) zählen zum Beispiel Aufwendungen für die stationäre und ambulante Behandlung von Spielsüchtigen (17 beziehungsweise 24 Millionen Euro). Auch zählen finanzielle Verluste dazu, die durch Beschaffungskriminalität sowie Gerichts- und Strafverfolgungskosten zustande kommen. Die indirekten Kosten (insgesamt 174 Millionen Euro) entstehen vor allem durch die Verluste von Arbeitsplätzen und durch krankheitsbedingte Fehlkosten.

Aktionstage und dann?

Auch angesichts dieser verheerenden Bilanz machen die Bundesländer jedes Jahr im September mit einem gemeinsamen Aktionstag gegen Glücksspielsucht auf die Probleme rund um riskantes und pathologisches Spielverhalten aufmerksam. Und dann? Bei der Bekämpfung des Übels, der massiven Einschränkung des Angebots oder gar eines Verbots, zieren sich Behörden und Verbände. Erstere wohl auch, da auch der Staat für eine Lotterie wirbt, mit deren Einspielergebnis er nennenswerte Beträge an gemeinnützige Organisationen weiterreichen kann. Doch auch Lotto „6 aus 49“ birgt Spielsuchtpotenzial. Bei zwei Ziehungen pro Woche, dürfte das pathologische Gefahrenpotenzial freilich nicht sehr groß sein. Das rechtfertigt jedoch nicht, dass die Staatliche Aufsicht auf entsprechende Warnungen bei der eigenen Lotterie verzichtet. 

Verbände und Vereine gehören hier insofern als zögerliche Protagonisten aufgeführt, da der Wildwuchs im Bereich der Suchtgefahr Nummer eins, den Sportwetten, größtenteils nur deshalb fröhliche Urständ feiern kann, weil die nach dem Abzocken ihrer Klientel im Geld schwimmenden Anbieter beide vorwiegend im Bereich Fußball mit jährlich etwa 200 Werbe- und Sponsoring-Millionen für ihr Geschäft einspannen und so immer mehr Kundschaft ködern. In der Werbung wird ganz bewusst das Glücksspiel mit dem positiven Image von Sport verknüpft. Doch der Sport, insbesondere der Fußball, ist Teil des Problems, das sich längst nicht mehr nur im Profibereich ausbreitet. Denn obwohl Wetten auf Amateursport in Deutschland verboten sind, kann trotzdem weltweit auf diese Spiele gewettet werden. Dieses Angebot ist freilich nicht auf den Fußball beschränkt, die Wettmafia hat längst andere Sportarten sowie die Jugend entdeckt und lässt die Kundschaft auf Mannschaftsaufstellungen, Zwischenstände, Rote Karten, Aufschlagspiele (Tennis), Dreier-Würfe (Basketball), Penaltys (Eishockey) etc. setzen. 


Amateursport im Visier der Wettanbieter. Benjamin Best erklärt bei Sport Inside das Geschäftsmodell. 


Eine Absurdität anbei: Spieler in Deutschland dürfen auf Fußballspiele wetten – solange sie nicht selbst beteiligt sind. „Somit dürfen neben dem riesigen Heer von Amateurspielern nach den DFB-Regeln sogar Bundesligaprofis in einem bestimmten Maß auf Fußballspiele wetten“, sagt Baranowsky. Der DFB unterstütze damit die wirtschaftlichen Interessen der Wettanbieter. Er schlägt vor, nach dem Vorbild internationaler Verbände ein umfassendes Wettverbot für Spieler, Trainer und Funktionäre verbandsrechtlich einzuführen. Nicht zuletzt der aktuelle Wettskandal im türkischen Fußball lässt aufhorchen: Neben etwa 150 Schiedsrichtern sollen fast 4.000 Spieler an Wetten beteiligt sein.

Partner im Namen des Glücks

Laut SPOBIS, einem nach eigenen im PR-Deutsch abgefassten Angaben führenden Anbieter von „B2B.Sevices“ im Sportbusiness, gehören Sportwettenanbieter zu den sichtbarsten und finanzkräftigsten Sponsoren im europäischen Fußball. Trikots, Banden, Stadionnamen, Wettbewerbstitel – kaum eine Werbefläche, die nicht von der Branche bespielt werde, heißt es. Deren strategische Ziele seien maximale Sichtbarkeit, Nähe zur Zielgruppe und Aufbau von Markenvertrauen. Und der Profifußball bietet Glücksspielunternehmen eine enorme Reichweite. 

Demnach heuchelt die professionelle Fußballbranche Prävention auf dem Papier, während doch jeder Euro aus Sportwettenwerbung auf der Bande willkommen ist. So hat der DFB in seiner Satzung klar festgehalten, er wolle eine wirksame Suchtprävention unterstützen. Auf seiner Webseite wirbt der Verband für die Kampagne „Gemeinsam gegen Spielmanipulation“. Darüber hinaus arbeitet der DFB mit dem Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) zusammen, um über die Gefahren von Glücksspielsucht aufzuklären und den Zugang zu Beratungsangeboten zu erleichtern. 

Das alles passt so gar nicht zusammen mit dem hohen Maß an Glücksspielwerbung im deutschen Profifußball, die eine Studie der Forschungsstelle Glücksspiel verdeutlicht. So hatten in der Saison 2024/25 alle 18 Vereine der Bundesliga mindestens einen Glücksspielanbieter als Partner. Während des 31. Spieltags wurden insgesamt 18.708 Werbeinhalte für Glücksspiele identifiziert, davon 15.089 während der Live-Übertragungen der neun Spiele. In etwa einem Drittel der gesamten Sendezeit waren Werbeinhalte sichtbar. Während der Spielzeit selbst waren Werbeinhalte durchschnittlich 41 Minuten lang präsent – fast die Dauer einer Halbzeit! 

Gerade die enge Verknüpfung von Glücksspiel, insbesondere Sportwetten, und Sport führt zu einer Normalisierung, vor allem unter Fans und bei Kindern und Jugendlichen. Dadurch werden Sportwetten mitunter als ’normaler‘ Bestandteil des Sports und als harmlose Freizeitaktivität wahrgenommen, obwohl es sich um ein potenziell suchtgefährdendes Produkt handelt“, sagt der Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim, Steffen Otterbach.

In Deutschland regelt der Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) seit 2021 das Glücksspielwesen. Dadurch sollten die Online-Wettmärkte liberalisiert werden, mit der Begründung, legale Angebote sollten illegale verdrängen. Das Ergebnis: Nahezu anarchische Zustände, zwar mehr legale Anbieter, wegen wenig schlagkräftiger Strafverfolgungs- und Regulierungsbehörden aber immer noch ein Schwarzmarkt, deutlich mehr Werbung.

Übrigens: Für die meisten Online-Glücksspiele (wie virtuelle Automatenspiele, Online-Poker und Online-Casinospiele) gibt es im GlüStV die Einschränkung, dass die Werbung nur zwischen 21 Uhr und 6 Uhr erfolgen darf. Davon ausgenommen ist die Werbung für Sportwetten. Das ist vollkommen unverständlich, da dadurch auch Kinder- und Jugendliche, die sich für Fußball interessieren, unablässig mit Werbung konfrontiert werden für ein Angebot, das aus gutem Grund erst ab dem 18. Lebensjahr erlaubt ist.

Geschäft contra Satzung

Wie soll der deutsche Fußball also mit Sportwetten und Sportwetten-Werbung am besten umgehen? Das wird durch das „Bündnis gegen Sportwetten-Werbung“ (BgSwW) formuliert. Es wurde auf Initiative von Fan-Organisationen im Fußball gegründet und vereint zahlreiche Institutionen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Neben der weitgehenden Einschränkung von Sportwetten-Werbung fordert das BgSwW, dass politische Entscheidungen getroffen werden, die die beteiligten Institutionen im Sport dazu veranlassen, ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen und die unabhängige Forschung sowie Prävention zu stärken. VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky fordert vor allem den Verzicht auf Sportwettenwerbung und wird dabei aktuell durch die erst im Mai ausgeweitete Partnerschaft von DFB mit dem Betreiber Tipico getriggert. Seitdem firmiert das Unternehmen auch für die 3. Liga auf den Trikotärmeln aller Klubs als wichtigster Sponsoring-Partner.

Auch im DFB-Pokal der Männer und Frauen hat „Tipico“ beim DFB Sponsoringpakete erworben.  All das ist brandgefährlich, erhält das Glücksspiel so sogar noch Sichtbarkeit im Amateurfußball, der doch vor der Wettbranche eigentlich geschützt sein soll. Der DFB weiß das, nimmt das Geld aber trotzdem und entzieht sich damit seiner gesellschaftlichen Verantwortung: Es gibt keine Kampagne zur Aufklärung über die Risiken, die der verlockenden Sportwetten-Werbung etwas ernsthaft entgegensetzt. Die Bemühungen des DFB auf dessen Website dienen mehr als Feigenblatt zur Verschleierung des täglichen Geschäftsgebarens.  

„Es kann nicht sein, dass der DFB in seiner Satzung die ‚Unterstützung einer wirksamen Suchtprävention‘ als Ziel ausgibt und gleichzeitig in exorbitantem Maß Werbeflächen für Sportwettenanbieter verkauft“, sagte VDV-Vizepräsident Maik Franz einer Mitteilung der Organisation zufolge. „Der DFB schadet damit dem gesellschaftlichen Ansehen des Fußballs und bereichert sich auf Kosten glücksspielsüchtiger Menschen und derer Familien.“ Diese Ansicht wird von Studien untermauert. Bemerkenswert an der Kritik der Spielergewerkschaft ist jedoch deren einseitige Zielrichtung gegen den DFB. Die lukrativen Werbeverträge der Klubs der 1. und 2. Bundesliga mit den Buchmachern sind ausgenommen. Gleiches gilt für die Deutsche Fußballliga DFL. Der Organisator der Bundesligen ist schließlich ebenfalls wirtschaftlich durch einen Sponsoring-Deal mit Tipico verbandelt.

Mit wem man es da zu tun hat, lässt sich auf der Liste der von den Ländern zugelassenen Anbieter  ablesen. Da ist „Tipico“ mit drei Wettanbietern vertreten. Alle drei haben ihren Sitz auf Malta, ebenso wie die meisten der auf der „Whitelist“ geführten etwa 30 weiteren Unternehmen.  Was macht Malta für Glücksspiel-Anbieter so attraktiv? Da ist vor allem die unternehmerfreundliche Steuerpolitik der Regierung, die ausländischen Unternehmern einen großen Teil der für Malta Limiteds anfallenden Körperschaftssteuer zurückerstattet. Zum anderen erhält man in Malta wesentlich leichter eine Lizenz fürs Online-Glücksspiel. Darüber hinaus sind die darauf veranschlagten Steuern ebenso wesentlich günstiger. Hier wäre zum Beispiel der Steuersatz für Sportwetten zu nennen, der in Malta nur 0,5 Prozent beträgt, wohingegen in Deutschland das zehnfache, nämlich 5 Prozent anfallen. Durch diese Konstruktion machen die Wettanbieter hierzulande schon fast unanständig hohe Gewinne; einmal auf Kosten der Wett-Kundschaft, aber auch zu Lasten der Allgemeinheit, die für die Folgeschäden aufkommen darf. 

Staat im Hintertreffen

Nicht nur Sportverbände und Vereine, auch der Staat hinkt beim Kampf gegen die Spielsucht dem Problem hinterher, wie Burkhard Blienert, der ehemalige Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen einräumt. „Wir müssen, wenn es um Suchtgefahren geht, endlich vor die Welle kommen. Nur pumpen die Wettanbieter bisher hunderte Millionen in Werbung, während im staatlichen Präventionsbudget nur ein minimaler Teil dieser Summe steckt“, sagt Blienert und verdeutlicht: „In Deutschland fließt 100-mal so viel Geld in die Werbung für Glücksspiel als in die Prävention.“ Und solange Prävention so viel weniger wert ist als eine Werbeminute, dürfte hierzulande sich so bald nicht viel ändern.

Und wie reagiert das Ausland? Der europäische Profifußball hat über Jahre hinweg verlässlich von den Investitionen der Wettbranche profitiert und diese zu einer wichtigen Einnahmequelle entwickelt. Investigate Europe, die erste europäische Journalistengenossenschaft,  fand heraus, dass zwischenzeitlich 105 Unternehmen, die 141 Marken betreiben, Verträge mit Clubs in der EU und Großbritannien geschlossen haben. Bei vielen handelt es sich um milliardenschwere Konzerne wie Kindred, Kaizen und Entain sowie um bekannte Marken wie Unibet, Betano, William Hill, Betway und Bwin. Mit dabei sind auch staatliche Unternehmen wie Lotto in Deutschland und VriendenLoterij in den Niederlanden sowie viele Firmen mit Sitz und Pro-forma-Lizenzen aus Offshore-Zentren. Ungeachtet der wichtigen Einnahmequelle setzen die ersten Fußballverbände mit strikteren Vorgaben den bisherigen Umgang mit Glücksspielwerbung spürbar unter Veränderungsdruck. Die Reaktionen reichen von freiwilliger Selbstregulierung (Premier League: Werbeverbot auf der Trikotbrust) über strikte Verbote (La Liga, Eredivisie, Jupiler Pro League) bis zur wirtschaftlich motivierten Kehrtwende (Serie A). 

Laut SPOBIS soll in den Niederlanden ein Verbot von Sponsoringverträgen mit Sportwettenanbietern schrittweise eingeführt werden. Zwar hat das Parlament in Den Haag das Sponsoring der Vereine durch Glücksspielunternehmen 2021 zunächst legalisiert. Aber das Gesetz wurde umgehend wieder aufgehoben, nachdem die Aufsichtsbehörde einen enormen Anstieg der Wettaktivitäten gemeldet hatte. 

In Belgien gilt ein solches Verbot bereits.  Aber das scheint die Vereine nicht zu kümmern. Ihre Werbepartner aus der Glücksspielbranche kreierten kurzerhand Untermarken, die einen Teil des Unternehmensnamens enthalten, oder fügten ihm Bezeichnungen wie Foundation oder Sports hinzu. Der amtierende Meister Club Brügge wechselte beispielsweise seinen Trikotsponsor von Unibet zu U-Experts, einer Nachrichten-App von Unibet mit Links zum eigenen Casino-Angebot.

Die gleiche Strategie verfolgten Italiens Topvereine, nachdem das Parlament Ihnen schon im Jahr 2018 jede Form von direkter oder indirekter Werbung im Zusammenhang mit Glücksspielen verboten hatte. Die Clubs Inter (Betsson.sport), Parma (AdmiralBet.news) und Lecce (BetItalyPay) zeigen unter Nutzung des oben genannten Tricks bis heute die Marken auf ihren Trikots. Italiens Sportminister Andrea Bodi räumte im März 2023 ein, dass das Verbot umgangen wird. Es sei „heuchlerisch, das Recht auf Wetten zu verbieten“ und gleichzeitig „die parallele Kommunikation über dieselben Websites zuzulassen, die lediglich eine Webadresse bewerben, die unweigerlich zu Glücksspielen führt“, antwortete er auf eine parlamentarische Anfrage. Seit Anfang 2025 sind reguläre Partnerschaften wieder erlaubt, unter erhöhten Transparenzanforderungen. Der wirtschaftliche Druck vieler Clubs, besonders außerhalb der Top-Teams, hatte zur teilweisen Rückkehr beigetragen.

Der Markt bleibt also auch aufgrund äußerst kreativ handelnder Teilnehmer heterogen – doch der Trend weist in Richtung einer zunehmenden Regulierung und strukturellen Veränderung im Sportwetten-Sponsoring. Fest steht: „Wer glaubhaft und effektiv gegen Glücksspielsucht und Match-Fixing vorgehen will, muss auf das Werbegeld der Sportwettenanbieter verzichten“, fordert Ulf Baranowsky von der Spielergewerkschaft VDV. Doch in Deutschland sehen sich Verband und Vereine offenbar in einem Dilemma, weil der Markt eben äußerst profitabel ist. Regulatorische Schritte fallen hierzulande nach Überzeugung von Investigate Europe zudem zögerlicher aus als in anderen Ländern, weil in der Bundesliga die Hauptsponsoren deutlich vielfältiger unterwegs seien als beispielsweise die Partner der Premier League. Das meiste Geld in die Bundesliga investiert die Telekommunikationsbranche, die auf insgesamt drei Hauptsponsorings kommt. Kumuliert lassen sich die Telekom, 1&1 und Congstar ihre Partnerschaften laut einer Analyse des Bundesliga-Vermarktungsreports 68 Millionen Euro für die Saison 2024/25 kosten. Dahinter kommen lediglich die Versicherer auf mindestens zwei Hauptsponsorings.  


Spielverderber – Wie Wettbetrüger den Fußball manipulieren Wie funktioniert das weltweite Netzwerk der Wettbetrüger? Und welche Rolle spielt dabei der deutsche Fußball? Eine exklusive Recherche von WDR Sport Inside.


Wie vorbeugen?

Angesichts der steigenden Suchtgefahren ist es sehr wohl angebracht, über ein Verbot von Werbung durch Wettanbietern nachzudenken. Auf welche positive Entwicklung soll denn noch gewartet werden? Die Beispiel aus dem Ausland sollten Mahnung genug sein. Weil Vertreter von Sportverbänden und -vereinen sowie Politik das Suchtproblem immer noch Kleinreden und die Bundesländer aus finanziellen Gründen (doppelt so hohe Einnahmen wie bei Alkohol!) kein Interesse an Änderungen des Glückspiel-Staatsvertrags haben, dürfte allerdings realistischer als die radikale Antwort auf den Werbeboom der Buchmacher eine stärkere Selbstverpflichtung der Vereine sein. Und dies kombiniert mit mehr Aufklärung, sowohl über die Risiken von Glücksspiel als auch über die Mechanismen, mit denen Anbieter neue Spieler gewinnen, etwa über Lockangebote wie Freispiele oder Boni ohne Einzahlung.


Einschränkung wie dereinst bei Alkohol- und Tabakwerbung wäre möglich, dafür plädiert auch Burkhard Blienert. Der ehemalige Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen sagt: „Ein Mittel gegen Sucht ist gute Prävention“. Was ihn umtreibt, ist, „dass der Staat den Wettanbietern beim Vergleich von Werbebudget und Präventionsausgaben ein wenig wie David gegen Goliath gegenübersteht. Dabei wissen wir seit Jahren, was zu tun wäre und dass wir in allen Bereichen, weit über das Glücksspiel hinaus, deutlich mehr Prävention brauchen, angefangen bei engen Grenzen für die Werbung.“ Blienert forderte in der „Süddeutschen Zeitung“, Sportwettenwerbung im Fernsehen nur noch zwischen 23 und 6 Uhr ausstrahlen zu dürfen, um junge Menschen zu schützen. Sinnvoll könnte es außerdem sein, Bundesligavereine, die von Wettanbietern finanziell unterstützt werden, aus der Sportförderung auszuschließen. Striktere Einzahlungslimits und mehr Verantwortung bei den Buchmachern, gefährdete Spieler zu sperren, scheint ebenfalls überfällig. Das wäre eine Anleihe bei der Praxis traditioneller Casinos.


Hilfe für Betroffene:

Der Übergang zwischen gelegentlichen Wetten und problematischem Wettverhalten ist schleichend. Wer sich unsicher ist, ob er bereits spielsüchtig ist, kann im Internet Selbsttests machen oder sich bei Beratungsstellen informieren:

www.bundesweit-gegen-gluecksspielsucht.de
www.akspielsucht.de

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bietet eine Telefonberatung zur Glücksspielsuchtprävention unter der Rufnummer: 0800 – 137 27 00.

Anlaufstellen für den Erstkontakt sind auch ambulante Beratungsstellen, Selbsthilfe-Gruppen.

Fach- und Rehakliniken bieten mehrmonatige Programme an, um die Sucht zu behandeln. Oft sind auch langfristige Psychotherapien notwendig. Wichtig ist, dass Betroffene sich zum Selbstschutz über das Sperrsystem OASIS bei allen Wettanbietern sperren lassen.

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