Durchbrüche, die keine sind

Die Erleichterung war den politischen Protagonisten im Gesicht abzulesen: Auf zwei heftig diskutierten Feldern durften sie endlich Durchbrüche verkünden. Angeblich zieht Europa beim Schutz der Außengrenzen gegen illegale Migration jetzt an einem Strang und angeblich bringt der Heizungskompromiss Deutschland seinem Klimaziel näher. Nun ja, in beiden Fällen zeigt der jeweilige Minimalkonsens, dass die mit den verknüpften Problemen befassten Gesellschaften heillos überfordert sind. Hier die Politiker, die sich der Forderung der Straße folgend zusammenraufen und rasch Ergebnisse zur Deeskalation liefern wollen; dort Bürgerinnen und Bürger, die aufgrund der Komplexität der Themen holzschnittartige Lösungsvorschläge erwarten. Und unterm Strich gibt es kaum Fortschritt. 

  1. Migration

Mit den EU-Beschlüssen werden weder die Außengrenzen sicherer, noch werden in den wie immer auch organisierten Lagern verbriefte humanitäre Standards eingehalten, noch wird die Abschiebung Illegaler erleichtert, noch wird dadurch die Zahl der Immigranten in Deutschland sinken. Den beteiligten Verhandlungsführern bleibt nichts anderes übrig, als die lang ersehnte Einigung der Europäer auf das Minimum zu feiern. Dabei ist nicht einmal das garantiert. Der sogenannte EU-Asylkompromiss wird vor allem für diejenigen ins Schaufenster gestellt, die sich nicht für Feinheiten der weltweiten Migrationsprobleme interessieren, sondern lediglich um die Zahl der Flüchtlinge. Keine Frage, da besteht akuter Handlungsbedarf. Der wieder mal kleinste gemeinsame Nenner auf EU-Ebene wird den damit verbundenen Anforderungen unter anderem aber deshalb nicht gerecht, weil die Fluchtursachen nicht effektiv bekämpf werden sowie keine Aufnahmequoten für legale Flüchtlinge vereinbart und keine Rückführungsabkommen mit Herkunftsländern geschlossen wurden. Motto: Irgendwie kriegen wir das schon noch hin. Dass dabei die Menschenwürde unter die Räder kommen kann, interessiert doch nicht. Das belegt erstens der bisher erzielte Minimalkompromiss und zweitens interessiert die aufs eigene Wohlergehen achtende Mehrheitsgesellschaft nicht die Bohne. Das weltweite Elend ist das Elend der anderen, das Mitleid hat Grenzen – und die gilt es zu sichern…  

2. Wärmewende

Die Ausprägung des Heizungsgesetzes ist eine gesamtgesellschaftliche Niederlage, wird die Wärmewende doch auf 2028 verschoben, was die Klimaziele extrem gefährdet. Politik und Gesellschaft haben sich bei dem Thema als komplett überfordert gezeigt. Ein Blick zu den Nachbarn zeigt: Die sind viel weiter! Beim Klimaschutz agieren sie mutiger, innovativer, intelligenter, pragmatischer, während sich die Laien in Deutschland über den Boulevard im technischen Kleinklein verhaken und wie schon üblich jeder Kleinstaatenfürst seine Extrawurst gebraten haben will. Auch deshalb ist der Ampel der Kompromiss misslungen. Schließlich wurde der Klimaschutz als das eigentliche Ziel der Aktion auf die lange Bank geschoben. 

Zudem unken nicht wenige Juristen wohl zurecht, dass die jetzt im Parlament behandelten Leitplanken zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) mit ihren kleinen Einsparungen und dem späten Inkrafttreten vor dem Hintergrund der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts nicht lange Bestand haben werden. Im wahrscheinlichen Fall einer Klage dürften die von der FDP durchgesetzten Verzögerungen einkassiert werden, heißt es. 

Aber da gibt es ja noch die Bremser in Union. Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ sagte Fraktionsvize Jens Spahn: „Wir brauchen auch einfache Botschaften. Lasst uns sagen: Wenn wir regieren, schaffen wir das Heizungsgesetz einfach wieder ab.“ Genau, „einfache Botschaften“, nur niemanden überfordern. Wenn die Ampel das Gesetz über großzügige Fristen und Ausnahmen über Ausnahmen im Sinne des Klimaschutzes verwässert hat, dann sagt die Union die Wärmewende einfach konsequent ab. Deren Überzeugung: Das Ergebnis des Radikalschnitts wird schon nicht so viel schlechter sein und trifft auf den Wunsch einer Bevölkerungsmehrheit nach individueller Freiheit und dem „Weiter so“. Wer sich aber heute in der Bequemlichkeit einrichtet, der wird morgen dafür zur Kasse gebeten. Diese Erkenntnis ist freilich noch nicht weit verbreitet, was auch die Hoffnung der Ampel konterkariert, mit einem nach vielen Seiten offenen Gesetz Verantwortlichkeiten an Eigentümer und Vermieter zu delegieren. Die werden nach den verheerenden Desinformationskampagnen hoffentlich bald in die Lage versetzt, Ökonomie und Ökologie über eine moderne Heiztechnik in Einklang zu bringen. Bisher sind sie mit dieser Aufgabe heillos überfordert. Bis dahin gilt: Funktionierende Heizungen müssen nicht ausgetauscht, eine kaputte Heizung darf repariert werden. Das sorgt für Klarheit, verschleppt aber die Wärmewende… 

Frank Pröse

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