Spaltpilz AfD

– Zur neu entfachten Debatte über ein Parteiverbot –

War´s Zufall oder Absicht? Vor 80 Jahr endete die Terrorherrschaft der Nazis und Deutschland gedenkt deren Gräueltaten. Nahezu zeitgleich und die erhöhte Sensibilität mit dem Themenkomplex nutzend stuft das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung ein“. Grund sei die „die Menschenwürde missachtende, extremistische Prägung der Gesamtpartei“. Bisher war die AfD bundesweit lediglich als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ eingestuft worden. Mit der nun veröffentlichten Entscheidung nach drei Jahren intensiver gutachterlicher Befassung mit der Partei geht der Verfassungsschutz einen Schritt weiter. 

Dass eine nur noch wenige Tage geschäftsführend im Amt weilende Innenministerin Nancy Faeser die Verkündung dieser Expertise nicht ihrem da noch designierten und nun für die Auswertung zuständigen Nachfolger Alexander Dobrindt überlassen hat, darf gerne kritisiert werden. Auf die Debatte zum Umgang mit den blauen Alternativen nach Überprüfung des Berichts dürfte diese letzte Zuckung im Amt der um Aufmerksamkeit heischenden Nancy Faeser keine Auswirkungen haben, zumal das Gutachten nach den Veröffentlichungen der letzten Tage sukzessive transparenter geworden ist.

Auch die erste Runde der juristischen Auseinandersetzung mit der AfD, bei der die Behörde bis zur Urteilsverkündung eine Stillhaltezusage gegeben hat, dürfte die Debatte um ein Verbotsverfahren kaum einhegen, zumal jetzt sogar großräumig dafür demonstriert wird. Außerdem bleibt der Verfassungsschutz ungeachtet der zunächst befristet verbotenen öffentlichen Äußerung ja bei seiner Einschätzung, dass die AfD bundesweit als „gesichert rechtsextrem“ einzustufen ist. 

Nun ist es natürlich spannend, wie mit dieser nicht sonderlich überraschenden amtlich gestempelten Erkenntnis politisch und juristisch umgegangen wird. Schließlich speist sich der  eher zaghafte Umgang mit den gebräunten Feinden des Rechtsstaates auch aus der Überzeugung, man dürfe diese nicht noch weiter in die Rechtsaußenecke drängen, keine Märtyrer schaffen. Die Botschaft der Verbotsskeptiker, die Jens Spahn zuletzt hoffähig zu machen versucht hat, lautet also: Die AfD ist demokratisch gewählt, die darf man gut finden; sie ist eine Partei wie andere auch. Nun hat es auch der  CDU-Fraktionschef schriftlich bekommen: Die AfD ist keine Partei wie andere. Denn diese verfolgen keine menschenverachtende Politik im Sinne von „Remigration“ und „ Umvolkung“, sprechen nicht von „Passdeutschen“ , Kulturfremden“ und „globalistischen Eliten“. 

Es ist genau der Notfall eingetreten, für den die Väter und Mütter des Grundgesetzes Vorsorge getroffen haben, weil sie wussten, dass Parteien sich demokratischer Mittel bedienen können, um an die Macht zu kommen – um das politische System dann zu zerstören. Die so oft zitierte wehrhafte Demokratie muss ihre Möglichkeiten nun auch konsequent nutzen. Schließlich ist es unstrittig, dass die AfD bei erster Gelegenheit die Republik nachhaltig verändern und damit die liberale Demokratie beerdigen würde. Dass diese Sichtweise  inzwischen Raum greift, lasst sich unter anderem an der breiten politischen Debatte zum Schutz des Verfassungsgerichts ablesen.

Wann also, wenn nicht jetzt, ist es Zeit für zumindest eine an dieser Stelle schon mehrfach geforderten parteiübergreifenden Initiative zur Prüfung eines  Verbotsantrags. Denn allein die AfD, eine Partei mit eindeutig protofaschistischem und antidemokratischem Bodensatz, spielt mit verfassungsfeindlichem Feuer. Sie behauptet, die Bundesrepublik sei „kein souveränes Land“, und will die „Frage nach der Schuld“ für den Zweiten Weltkrieg durch „die Frage nach den Errungenschaften“ ersetzen. Sie kritisiert rechtsstaatliche Entscheidungen als „Willkür“, wenn sie nicht so ausfallen, wie sie es gerne hätte. Sie behauptet, dass nur sie für „das Volk“ spräche und Deutschland vor einem vermeintlichen Untergang retten würde.

Mut zur Intoleranz

Rechtsextremer geht es doch kaum. Mit der Entscheidung des Verfassungsschutzes gebe es nun einen „politischen Wendepunkt“ im Umgang mit der Partei, der neue juristische und politische Handlungsoptionen eröffnet. Aber die politische Debatte dreht sich im Kreis, bleibt geprägt von einer ach so vertrauten Verzagtheit beim mantrahaften Austausch immer der selben Argumente. „Man muss die Kraft haben, intolerant gegenüber denjenigen zu sein, die die Demokratie umbringen wollen“, sagt  Publizist Heribert Prantl dazu. 

Ist eine Partei verfassungswidrig unterwegs und das hat keine Konsequenzen, ist der Schaden höher, als wenn deren Wähler sich verdutzt fragen, wo ihre Partei geblieben ist.  Es ist nur zu hoffen, dass Exekutive und Judikative den Ernst der Lage begreifen, bevor sich das Toleranz-Paradoxon des Philosophen Karl Popper bewahrheitet. Das wird dann wirksam, wenn eine Macht es aufgrund ihrer Toleranz intoleranten Kräften ermöglicht, die eigene Toleranz einzuschränken oder abzuschaffen. Zwar zeichnen sich Demokratien dadurch aus, dass sie den Regierungswechsel möglich machen, damit sich alternative Konzepte beweisen können. Dieser Grundsatz ist jedoch selbstmörderisch, wenn die Alternative im Verdacht steht, das System abschaffen zu wollen. Der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland hatte das noch in Amt und Würden mit „Machtergreifung“ umschrieben. 

Andere Meinungen muss man in einer Demokratie aushalten; die Verharmlosung oder die Glorifizierung von NS-Verbrechen aber, Rassismus, Antisemitismus bis hin zu Gewaltfantasien über den politischen Gegner oder Personengruppen, die nicht ins Weltbild passen, aber auf keinen Fall! Als Beispiel kann ein mittlerweile gelöschter Post des Thüringer Landeschefs Björn Höcke dienen. Die Angestellten des Verfassungsschutzes sollten sich eine neue Arbeit suchen, schrieb er auf X. Denn „am Ende wird es wie immer in der Geschichte heißen: Mitgehangen – mitgefangen“. Eine ziemlich unverhohlene Drohung für den Fall, dass die AfD jemals an die Macht kommt.

Sie ist eine strukturell rechtsextreme Partei mit Netzwerken in den sogenannten vorpolitischen Raum, zum rechtsextremen Thinktank „Institut für Staatspolitik“ um Götz Kubitschek zum Beispiel, oder zur völkisch-rechtsextremen Identitären Bewegung um Martin Sellner. Wenn der Staat also zunehmend zu der Erkenntnis gelangt, dass die AfD rechtsextrem ist und eine Gefahr für die Demokratie darstellt, dann müssen dem Ruf nach einem Verbot auch Taten folgen.

Es geht auch darum, einen gewalttätigen Staatsstreich zu verhindern, den der immer mehr an Einfluss gewinnende völkische Flügel der AfD um Björn Höcke plant, weil sich das deutsche Volk nach dessen Überzeugung in einem „Überlebenskampf“ befindet. Deshalb übrigens gelingt auch die von der AfD-Spitze zur Beruhigung der Öffentlichkeit versprochene Abgrenzung zur rechtsextremistischen „Identitären Bewegung“ nicht, die übrigens ebenso den Umsturz auf ihrer Agenda hat wie die erstaunlich große Zahl an „Reichsbürgern“.

Echte gesellschaftliche Konflikte um Steuergerechtigkeit und Sozialpolitik, um Bahn und Bildung werden derzeit umgeleitet in emotional aufgeladene Social-Media-Kämpfe. Die politischen Aggressionen, die mächtige Medienmacher und Demokratieverächter wie Tesla-Chef Elon Musk derzeit schüren, werden abreagiert an den Schwächsten – an Geflüchteten, an Menschen ohne Arbeit oder ohne Wohnung. Dagegen kann ein AfD-Verbot wenig ausrichten. Was es aber kann: Ganz konkret die Demokratie und ihre Institutionen schützen. Man muss sich nur anschauen, wie die AfD bei der ersten Sitzung des neuen thüringischen Landtags agiert hat: Direkte Angriffe auf die Demokratie und ihre Spielregeln sind keine Theorie mehr, sondern politische Praxis.

Zu den Risiken eines Verbotsantrags gehört,  dass selbst bei einem positiven Prüfresultat ein solches Verfahren enorm Zeit beansprucht und ein Verbot durch die Verfassungshüter in Karlsruhe letztlich auch daran scheitern kann, dass die AfD zwischenzeitlich durch Appelle zur (vorübergehenden?) Mäßigung bei Äußerungen ihrer Mitglieder sowie herausragende Wahlergebnisse in die Lage versetzt wird, den Prozess zu beeinflussen. Aber: Wenn es um die Gefährdung der Demokratie geht, um die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei, sollten solche Verfahren in der Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts dann eben oberste Priorität haben.

Argumente verfangen nicht

Ein Verbotsantrag wäre aber der zweite Schritt. Und selbst beim ersten, der Prüfung eines solchen Verfahrens gegen die AfD wegen der in ihr beheimateten Verfassungsfeinde, wird gezögert. Die Demokratie müsse so eine Partei aushalten und sie politisch bekämpfen, heißt es ungeachtet der zu konstatierenden Erfolglosigkeit dieser Strategie. Die nach außen gerne verfassungstreu auftretenden Rechtsextremen lassen sich kaum im öffentlichen Raum und schon gar nicht in den von ihnen gekaperten Social-Media-Räumen „inhaltlich und argumentativ“ bekämpfen. Weiter allein darauf zu setzen, AfD-Sympathisanten von der Gefährlichkeit dieser menschenverachtenden Truppe mit Argumenten auf politischer Ebene überzeugen zu können, ist naiv. Die schenken nur den eigenen asozialen Medien Glauben, in denen auch Algorithmen Mythen und Fake Neuigkeiten fürs Weltbild der Verunsicherten bereitstellen. Außerdem zeigt sich exemplarisch an Talkshows , dass sich rhetorisch und gesprächstaktisch gut geschulte AfD-Spitzen argumentativ nur schwer stellen lassen. Sie fluten jedes mit ihren Mythen und Lügen geflutete Gespräch mit zu diesem Zeitpunkt meist nicht überprüfbaren Aussagen und nutzen den Moment, um berechtigte Kritik an der Partei ins Gegenteil zu verkehren. 

Man spielt den Blauen aber auch in die Karten, wenn man ihren Grenzüberschreitungen integer zu begegnen versucht. Denn Unwahrheiten sind emotionaler und damit öffentlichkeitswirksamer als die meist langweilige Wahrheit. So wird der seriöse Anspruch an die Integrität der Medien oder der Politiker zur Waffe der Demokratiefeinde. Nicht zuletzt interessieren sich Algorithmen für deren großzügig gesponserte populistische Social-Media-Propaganda mehr als für Fakten und darauf basierende Argumente. Dieser Kampf scheint aussichtslos, solange Medien und Politiker nicht lernen, dass sie nicht auf jede reißerische „Falschwahrheit“ reagieren sollten, um ihre Verbreitung zu verhindern. 

Groß ist zudem die Angst, dass sich die „Alternativen“ als Märtyrer stilisieren könnten oder höchstrichterlich den Freifahrtschein als demokratische Partei ausgehändigt bekommen könnten. Aus dieser Angst heraus nicht zu handeln, kann aber schwerwiegendere Folgen haben, als die, diese Risiken einzugehen und die rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Außerdem: Mittlerweile sieht eine sogenannte schweigende demokratische Mehrheit Handlungsbedarf für eine härtere politische Gangart gegenüber der AfD.  Deren Politik vor allem im Osten der Republik scheint die Bereitschaft allgemein zu erhöhen, das schärfste Schwert der Demokratie auch zu nutzen, weil immer mehr Bürger begreifen, dass die Rechtsaußen, einmal an die Macht gekommen, ihre Angriffe auf Menschenwürde und Demokratie institutionell verankern können.  Ist dieser Punkt erst einmal erreicht, wird es deutlich schwieriger sein, dies rückgängig zu machen.

Viele halten die AfD inzwischen für „zu mächtig“, um sie zu verbieten. Was ist das denn für ein Argument? Bei wieviel Prozent Wählerzustimmung beginnt denn die Kategorie „zu mächtig“? Und seit wann ist es ratsam, die Mächtigen lieber nicht juristisch zu belangen? Die Einschätzung „zu mächtig“ spricht doch eher dafür, mit einem Verbotsverfahren nicht länger zu warten und auf die Justiz zu vertrauen.

Jedes Parteiverbotsverfahren birgt Risiken, zumal die Maßstäbe für ein Verbot durch das BVG deutlich strenger sind als die für eine Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ durch den Verfassungsschutz. Doch das weitaus größere Risiko liegt darin, ein Parteiverbot gar nicht erst zu versuchen. Ob das neue Gutachten der Behörde als Grundlage ausreicht, wird man spätestens erst dann sehen, wenn sich das Verfassungsgericht damit befasst hat. 

Der deutsche Rechtsstaat lässt sich sogar per Verfassung vor seinen Feinden schützen. Das ist ziemlich einmalig auf der Welt.  Das Arsenal, das das Grundgesetz bietet, ist gewaltig: Parteiverbot, Verwirkung von Grundrechten, das Einfrieren staatlicher Zuwendungen, Organisationsverbot, Ewigkeitsklausel. Das Vorhandensein eines solchen Arsenals allein schützt die Demokratie nicht. Es genügt nicht, nur den Mund zu spitzen, man muss auch pfeifen – so laut und deutlich, dass es in Karlsruhe gehört wird, auch wenn die Demokratie damit quasi ihr Misstrauen gegenüber dem Volk ausspricht. 

Bedrohte Freiheit

Denn ein Verbot einer von vielen Bürgern gewählten Partei wäre zweifellos ein Eingriff in die Freiheit der Bürger. Der Staat spricht damit deren Wählern „moralische Substanz“ ab und maßt sich an, autoritär zu garantieren, was er mit dem Eingriff gerade aufhebt: die Freiheit. Aufhebbar ist dieser Widerspruch nicht. Denn laut dem Rechtsphilosophen Ernst Wolfgang Böckenförde „lebt der freiheitliche, säkularisierte Staat  von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist.“ Andererseits: eben diese Freiheit ist ja zunächst durch die AfD bedroht. Ergo: Wehret den Anfängen!

Für ein Verbot muss der AfD nachgewiesen werden, dass sie „planvoll“ auf die Beseitigung der demokratischen Grundordnung hinarbeite. So hat es das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur NPD formuliert. Für die gesamte AfD ist diese Hürde nach Einschätzung der Zauderer zu hoch. Das zweimalige Scheitern, eine völkische Partei aus der deutschen Gesellschaft zu verbannen, wirkt bis heute nach. Die Angst, erneut erfolglos zu bleiben, ist groß. Doch ebenso groß ist die Gefahr, dass diese Demokratie in Schönheit stirbt. Was gibt es da noch abzuwägen?

Nur Mut zum Verbotsverfahrten möchte man den etablierten demokratischen Parteien zurufen. Jenen, die den Befürwortern den Kampfbegriff vom Autoritarismus entgegen schleudern, sei gesagt: Es ist nicht undemokratisch, eine Partei zu verbieten, weil sie unliebsame Meinungen vertritt! Schließlich wurde die bundesdeutsche Demokratie nicht für das gesamte Meinungsspektrum gegründet. Sie impliziert als Lehre aus der Geschichte daneben eben auch das Verbot verfassungsfeindlicher Parteien als schärfste Waffe des Rechtsstaates. Also muss die Demokratie nicht sehenden Auges auf den Abgrund zusteuern.


Links zur Vertiefung

Höcke will den Bürgerkrieg

AfD-Vorstand posiert vor Wolfsschanze – mit Hand am Herz

Reise einiger AfD-Mitglieder zum Geburtshaus von Hitler

AfD-Abgeordneter verschickt […] Hitler-Bilder und Hakenkreuzfotos

AfD-Mann wirbt mit strafbarer Nazi-Parole

Er […] beklagt die ‚Herstellung von Mischvölkern‘ […].  Und dann erklärt er ‚hiermit diesen Schuldkult für beendet, für endgültig beendet‘.

Grauf: ‚Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millione Tote. […] Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen. SIEG HEIL!‘

„AfD-Abgeordnete führte Terrorverdächtige durch den Bundestag“ (mehrere AfDler an Terrorzelle beteiligt)

AfD wählt Terrorverdächtigen in Fachausschuss zu ‚Innerer Sicherheit‘

Terrorverdächtiger arbeitet für AfD-Bundestagsabgeordneten

Verständnis für Rechtsterrorist“ 

Wie der enttarnte BND-Doppelagent soll auch er AfD-Sympathisant sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Zurück nach oben