Ein Freund der Kranken

„Psychisch kranke und behinderte Personen gehören zu den benachteiligten Gruppen der Gesellschaft. Sie in direkter und indirekter Weise so zu unterstützen, dass diese Benachteiligungen gemildert und ihnen eine möglichst umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird, ist Sinn und Zweck der Stiftung“. Beide Zitate stammen von Manfred Bauer – das eine zum 10jährigen Jubiläum der Offenbacher Psychiatrie, das andere zur Gründung der Offenbacher Psychiatrie-Stiftung. Beide beschreiben das, was ihn sein Leben lang umgetrieben, bewegt und beschäftigt hat. Schockiert von den Zuständen in den hessischen Landeskrankenhäusern, die er in den 60iger Jahren besucht hat, um Daten für seine Doktorarbeit über die Wirkweise von Psychopharmaka zu erheben, hat er früh beschlossen, dass diese deutsche Psychiatrie grundlegender Veränderungen bedarf, um kranken Menschen tatsächlich helfen zu können und sie nicht nur wegzusperren und zu verwahren.

Gemeinsam mit seinem Onkel, dem langjährigen Offenbacher CDU-Bundestagsabgeordneten Walter Picard und mehreren weiteren Mitstreitern hat Manfred Bauer 1970 die Psychiatrie-Enquete des Bundestags angestoßen und daran maßgeblich mitgearbeitet – bis heute die „Bibel“ der Reform-Psychiatrie in Deutschland. Er war Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie und der Aktion Psychisch Kranke. Als Assistenz- und später als Oberarzt war er Mitinitiator beim Aufbau eines sozialpsychiatrischen Versorgungsnetzes in der niedersächsischen Landeshauptstadt – Blaupause für das, was in Offenbach folgen sollte.

1980 wurde er zum Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am damaligen Stadtkrankenhaus Offenbach berufen, die im April 1981 ihre Arbeit aufnahm. Innerhalb weniger Jahre ist es in Offenbach gelungen, ein gemeindepsychiatrisches Versorgungssystem aufzubauen, das lange Zeit nicht nur in Deutschland als vorbildlich galt. Da so etwas nicht im Alleingang geht, kam ihm eine seiner hervorstechendsten Eigenschaften zupass: Manfred Bauer war ein genialer Netzwerker. Er verstand es, Menschen unterschiedlichster Art zusammenzubringen und für seine Ideen einzunehmen. Er hatte dabei wenig Scheuklappen. Seine sportlichen Neigungen, seine Liebe zu Musik und Kunst halfen über Benefizturniere, Konzerte und Ausstellungen Verbindungen zu schaffen zwischen vorgeblich „Ver-Rückten“ und „Normalen“ – zu beiderseitigem Nutzen.


Ganz nebenbei hat er mehrere Bücher geschrieben und unzählige Aufsätze verfasst, darunter ein bis heute viel benutztes Lehrbuch für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, das Generationen von Studenten bei der Prüfungsvorbereitung half.


Im Mittelpunkt seines Wirkens stand aber immer der Mensch, der der Hilfe bedarf, um so gut und zufrieden wie irgendmöglich leben zu können. Und er hat den Angehörigen der Kranken, seinen Mitarbeitern in der Klinik und den Bürgern der Stadt Unterstützung gegeben nicht nur beim Aushalten des „Anders-Seins“, sondern auch beim gegenseitigen Verstehen und so versucht, ein besseres Zusammenleben für alle möglich zu machen.
Manfred Bauer hat sich bleibende Verdienste erworben, nicht nur um die Offenbacher Psychiatrie, sondern weit darüberhinaus. Jetzt ist er kurz vor seinem 87. Geburtstag gestorben. 

Ein Gedanke zu ”Ein Freund der Kranken

  1. Der Artikel zu Manfred Bauer wird ihm sehr gerecht, hoffentlich wird er von Vielen gelesen. Aus meiner Kenntnis ist es eine Aussage, die eine umfassende und hoch qualifizierte Betrachtung von Manfred Bauers Wirken in Hessen ist.

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